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Unterwelt

Unterwelt

Titel: Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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nervös.
    Als Nick aus Minnesota zurückkehrte, nannte Matty ihn den Jesuiten.
    Seine Katechismuszeiten lagen inzwischen lange zurück, also Mattys jetzt, die Zeiten blinden Glaubens, und er verspottete gern die unsichere Korrektheit seines Bruders und sein Bemühen um analytische Einsichten. Egal, welche Erfahrungen Nick in der Besserungsanstalt gemacht und wie gründlich die Jesuiten ihn danach in die Mangel genommen hatten in ihrer nördlichen Feste, mit prägendem Intellekt und glänzender Seele, es war immer noch das Recht eines Bruders, zu sticheln und zu piesacken.
    Ihre Mutter nannte ihn auch den Jesuiten, aber nie, wenn Nick es hören konnte.
    Sie tankten und kauften Holzkohle, Lebensmittel und Wasser in Flaschen. Sie fanden das Büro der Parkverwaltung am äußersten Ende der Stadt, und Matt ging hinein, bekam einen Passierschein und unterschrieb eine Erklärung. Sie nannte sich Haftungsausschlußerklärung und hielt im Grunde nur fest, daß es, falls sie bei Schießübungen getötet und/oder verletzt wurden, die zum Zeitpunkt ihres Aufenthaltes im Park durchgeführt wurden, eine absolut alberne, kindische Illusion wäre, wenn einer von ihnen oder beide und/oder ihre Erben auch nur eine Minute an Schadensersatz dächten.
    Na fein. Sie erhielten die Erlaubnis, in den Park hineinzufahren, wurden aber darauf hingewiesen, daß in drei Tagen, von heute an gerechnet, Luft-Luft-Übungen angesetzt waren. Eigenes Feuer. Das brachte etwas Pfeffer in ihren Zeitplan.
    Er erklärte Janet all das ganz gewissenhaft. Er erklärte ihr, daß sie keinerlei militärische Gegenstände anfassen oder sich aneignen dürften, die sie etwa auf dem Gelände fanden, wie zum Beispiel Treibstoffkanister, Abschußbehälter für Leuchtraketen, transportable Ziele, Geschosse mit echten Sprengköpfen oder Attrappen. Er erklärte ihr, daß im Park keine Menschen wohnten. Er erklärte ihr, daß es weder Benzin noch Essen, Unterkunft oder andere Einrichtungen gab. Sie hatte ein Recht, das zu erfahren. Er erklärte ihr, daß es keine asphaltierten Straßen oder fließend Wasser gab.
    Aber er erklärte ihr nicht, warum er das aufregend fand. Davon sagte er gar nichts, weil er es nicht verstand, diesen heftigen Schauder, das Urabenteuer, das Bewußtsein, daß er in das abgelegene Ödland von Sonora unterwegs war, wo das Zusammenspiel von Gelände und Waffen einem Vorgang des Nervensystems gleichkam, der in der Welt neu kartographiert wurde, einer hohlen Sehnsucht, aus dem Hirnstamm – oder sonstwo – entnommen, übermalt mit Worten und Himmel und Klapperschlangenwüste.
    Janet sagte: »Na gut. Jetzt los, los los los.«
    »Die Einstellung gefällt mir.«
    »Wenn wir's schon machen, dann ab die Post.«
    »Das wollte ich nur hören.«
    Sie fuhren gen Süden durch einen weißen Fleck auf der Landkarte, zum Eingang des Parks, und ihm fiel wieder ein, was Eric Deming ihm über diesen Teil von Arizona erzählt hatte, ein Gerücht, eine unheimliche Geschichte über Menschen, die als sensitiv galten, Männer und Frauen, die psychisch begabt waren – Telepathen, Hellseher, Gabelverbieger.
    Es gab eine geheime Einrichtung in der Nähe der mexikanischen Grenze, wo Sensitive getestet und Experimente durchgeführt wurden. Der Grundgedanke war, daß Psycho-Kommandos möglicherweise in der Lage waren, die Computernetze und Waffensysteme des Feindes zu blockieren, vielleicht sogar die Absichten des Verteidigungsministers zu durchschauen, der in seiner Limousine mit Chauffeur mitten durch Moskau fuhr.
    Man nahm sogar an, daß uns die Russen auf dieser Ebene weit voraus waren, sagte Eric, seelenvoll und mystisch, wie sie waren, und wir hechelten verzweifelt hinterher.
    Janet sagte: »Da ist natürlich noch was.«
    »Was willst du damit sagen?«
    »Außer Schafen. Wir machen doch nicht diesen weiten Weg, um uns Schafe anzuschauen.«
    »Dickhornschafe. Wir wollen allein sein. Nicht abgelenkt werden. Damit wir reden können. Über einen längeren Zeitraum. Damit wir die Dinge klären können.«
    »Welche Dinge?«
    »Du weißt genau, welche.«
    »Welche Dinge?«
    »Wollen wir heiraten? Kriegen wir Kinder, Nachwuchs? Warten wir noch ein bißchen? Wollen wir hier wohnen oder dort oder irgendwo in der Mitte?«
    »Was noch?« fragte sie. »Denn ich weiß, daß da noch was ist.«
    Matt fand die Geschichte von einem abgeriegelten Stützpunkt, wo Sensitive ihre übersinnlichen Fähigkeiten weiterentwickelten, durchaus glaubhaft. Gedankentransfer und Fernblick. Warum daran

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