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Unterwelt

Unterwelt

Titel: Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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auf die Bombe.
    Er saß mit offenen Augen im Staub und merkte, daß die Sonne hinter ihm aufging, und er überlegte, was das bedeutete.
    Es bedeutete, daß er die ganze Zeit in die falsche Richtung geschaut hatte.
    Matt fuhr den Jeep, Janet döste neben ihm, döste ein bißchen und wurde wachgerüttelt und nickte wieder ein.
    Er fühlte sich gut, klar im Kopf, er fuhr und dachte nach, er sah alles, er erkannte Pflanzen ohne das Buch.
    Die Sonne stand immer noch sehr tief, und die Route würde sie noch eine Zeitlang direkt darauf zuführen, bevor der Weg allmählich nordwärts abknickte.
    Er sah, wie das Geröll langsam zu Sand wurde.
    Er sah die sandigen Kalksteinböden von ausgetrockneten Bächen, die parallel zum Weg verliefen.
    Er hörte das Flügelflattern der Trauertauben, die aus dem Gebüsch aufflogen.
    Er sah eine Windhose auf einem geraden Wüstenstück bei ihren Zeitlup enspiralen.
    Es gab eine seltsame, aufgeladene Pause.
    Dann stieß das Brüllen auf sie hernieder, so dicht, daß ihm das Blut stockte, und Janet packte seinen Arm. Nein, zuerst fiel sie auf ihn, zur Seite geschleudert von der Wucht des Lärms, einem flachen, zerreißenden Dröhnen, und dann schnappte sie sich seinen Arm und griff daneben und packte noch einmal zu. Er saß da, den Kopf zwischen die Schultern getrieben. Der Jeep kam von der Fahrspur ab, aber Matt befreite seinen Arm aus Janets Umklammerung und steuerte zurück. Er merkte, er hatte den anderen Arm über den Kopf erhoben, zum Schutz.
    Der Lärm brach sich über ihnen und rauschte vorbei, riß sie beinahe mit, und Janet schaute Matt an. Ihr Mund bildete ein kleines, glattes, einsames Oval. Matt nahm das Ereignis konzentriert auf. Er sortierte es. Er schaute zu den Bergen, glücksbereit. Dann sah er das doppelte Aufblitzen, kurz bevor sie verschwanden, zwei silberhäutige Phantom-F4-Düsenjäger, auf dem Gipfel ihres Bogens vor dem Abfangen – dachten, sie fliegen mal eben an einem ruhigen Morgen über die Wüste.
    Er war glücklich, hörte das Echo jetzt von den Bergrücken abprallen, einen Restdonner, der hin- und herrief, von den Little Ajo Mountains zu den Growler Mountains zu den Granites zu den Mohawks und raus in die Städte und zu den Tankstellen . J a, er liebte das, wie sich die Kraft aus selbstliebkosender Heimlichkeit erhebt, um ein Brüllen am Himmel zu werden. Er stellte sich vor, wie die Klangwellen übers Land rollen und in der Zeit voranplätschern, über Wochen und Monate, quer übers Land, und irgendwann zu einem liebevollen Wiegenliedschaukeln werden, in einem kleinen, geborgenen Zimmer, wo eine Mutter einen Säugling stillt und ein Mann dasteht, ein Forschungskollege, einen Arm über den Kopferhoben, nicht aus Angst vor Gipsbrocken und herumfliegenden Glassplittern, sondern nur, um die Jalousie herunterzuziehen – der Himmel wird dunkel, und ein scharfer Duft zieht aus der Küche herüber, und im Haus erklingt Musik.
    Doch jetzt erlebte er den Steroidschock, die Gänsehaut, den prickelnden Kitzel, der über seinen Körper kroch, während sie zitternd in dem kleinen Jeep hockten. Noch waren sie nicht so weit, miteinander zu sprechen. Sie brauchten einen Augenblick, um sich zu fassen, waren sprachlos unmittelbar nach einem solch machtvollen, der ureigensten Größe der Natur abgerungenen Hieb. Oder wie der Mensch sich den Himmel unterwirft.

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5
    Z uerst war da ein leerer Raum. Dann tauchte jemand auf und ordnete Dinge auf einem Tisch an, räumte Zeitschriften und Bildbände weg und stellte Schalen und Töpfe hin und schnitt Blumen und legte dann einige der Bildbände wieder zurück, aber nur diejenigen, die den Status einer gewissen Kostbarkeit behaupten konnten. Dann trafen ein paar Leute ein, und es wurde sporadisch Konversation gemacht, manchmal etwas unbeholfen, weil nicht jeder jeden kannte. Dann füllte sich der Raum langsam, das Reden fiel leichter, und die Gesichter legten ein paar Schichten ab. Klara sprach mit jemandem in einer Ecke, nahm unterschwellig die freundliche und lustige und harmonische Stimmung wahr, und eigentlich denkt man nie darüber nach, aber wenn man es doch tut, überrascht einen schon, wie die Einzelheiten der Begegnung, die Augenbewegungen und das Winken, das Lächeln des Wiedererkennens, das Rekapitulieren des bisherigen Lebens, von dem der Dialog in Gang gesetzt wird – wie all das zu einer Energie wird, die sich wie ein umherschwebender Engel zwischen den Gästen hin und her bewegt, Geschichten anregt, Gerüchte,

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