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Unterwelt

Unterwelt

Titel: Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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in Wahrheit gewünscht hatte, sie würde ihn überreden zu kündigen. Das war die Frage, die er die ganze Zeit gestellt hatte. Willst du mir nicht sagen, daß du nicht möchtest, daß ich weiter diese Arbeit mache, um deinetwillen, um des Babys willen, das wir bekommen werden, und des Hauses, das uns eines Tages gehört?
    Aber Janet hatte nicht mitgespielt.
    Er begriff es endlich, er hatte gewollt, daß sie dachte, er bringe ein Opfer, verlasse die Tasche für Frau und Kind. Er hatte hören wollen, Komm nach Boston und heirate mich.
    Aber Janet hatte es nicht gesagt.
    Er war für diese Art Arbeit nicht gemacht. Er wollte den Job hinschmeißen, aber er wollte es nicht selber tun. Er wollte, daß sie es für ihn tat.
    Aber Janet hatte es nicht getan. Sie hatte die ganze Zeit gewußt, was er auf dem Herzen hatte. Und für seine Arien des Unwirklichen brachte sie keine Geduld auf. Egal, was wir im geheimen tun, war ihr Reden, die anderen tun was viel Schlimmeres.
    Der Wind fegte von Zeit zu Zeit von Osten her, und Matt hörte ein Tier beim Jeep, das auf die Abfälle aus war.
    Nein, er war kein Kernwaffenkonstrukteur. Aber darum ging es gar nicht. Er hatte ihr die Verantwortung zuschieben wollen und die Schuldgefühle dafür, wenn er ihretwegen sein Leben veränderte. Was hätte ihm das in den kommenden Jahren für einen Vorteil verschafft.
    Auf der Heeresnachrichtenschule machte er Gruppenarbeit in Doppelschichten, war jede angespannte Minute umgeben von Kampfanalytikern, Sprachexperten, Typen von der Spionageabwehr, die Drogenkonsum ausschnüffelten, von Agenten, die bei simulierten Missionen ausgebildet wurden, von einem Beobachter für jede Körperfunktion.
    Sie schickten ihn nach Vietnam, nach Phu Bai, und das erste, was er im Truppenlager sah, war ein gesprühter Graffiti-Schnörkel an der Wand eines Lagerschuppens. Om manipadme hum. Matt wußte, daß das irgendein Mantra war, etwas, das die Hippies im Central Park sangen, das konnte doch nicht das Motto der 131. Kompanie der Luftwaffe sein?
    Von diesem Augenblick an hatte er Schwierigkeiten mit den Informationen, die er bekam, dem Input.
    Er arbeitete in einer Nissenhütte, kurbelte Filmrollen über ein Leuchtpult. Die Ernte der Luftaufklärung, eine endlose Fotoserie, von den Bauchkameras der Aufklärungsflugzeuge aufgesogen. Es ging nur um verlorene Informationen, wie sich die winzigste Einheit rekonstruieren und identifizieren ließ, etwa als ein Lastwagen, den ein Mann mit einer französischen Zigarette zwischen den Lippen über den Ho-Chi-Minh-Pfad fuhr.
    Er warf einem Schlitzaugenköter ein Frisbee zu und beobachtete, wie das Tier hüpfte und zappelte.
    Es gab Gerüchte von einem geheimen Krieg, zahllose Tonnen Bomben, die von den B-52 abgeworfen wurden. Laos, Chaos, Kambodscha. Nur daß die Tonnen gar nicht zahllos waren, sondern sorgfältigst gezählt wurden, denn wir verdienen uns unsere Streifen, indem wir das Produkt quantifizieren.
    Matt war Spezialist, Spec 5, wurde nach dem Rang eines Sergeanten bezahlt, hatte aber weniger Befehlsautorität. Ihm war das recht.
    Die Raketenangriffe waren ihm nicht recht, ebensowenig die Granatsalven, die im Bogen aus dem Regen herunterprasselten.
    Die Regenfälle kamen, die Sirenen heulten, und erging zum nächsten Schützengraben, einem Unterstand, der aus Sandsäcken und Bauschutt zusammengehauen war, ein offener Abwasserkanal lief hindurch.
    Die Hitze kam und das Heroin, und ab und zu wurde eine Leiche, Gesicht nach unten, auf der schlammigen Straße der Kompanie gefunden, ein H-Opfer.
    Jemand hängte ein Nixon-Foto in die Nissenhütte, flankiert von zwei Männern, irgendwie vertraut, aber nicht genau zu ermitteln, und es gab Gerüchte über eine Substanz in schwarzen Fässern nahe der Vorpostenlinie des Lagers.
    In der Kinofassung wäre die Stelle mit dem Hund die ideale Standszene, mitten im Sprung, kurz davor, die Frisbeescheibe zu schnappen. Ein Park an einem Sommertag, irgendwo in Amerika – das wäre die Ironie des Bildes, und von einer Sologitarre käme das bittere Kreischen der Übersteuerung.
    Das passiert, wenn ein Teil vom Output eines Systems an den Input zurückgegeben wird.
    Ja, irgendwer hatte da eine Zeitschriftenseite angepinnt, und Matt konnte die beiden Männer nicht identifizieren, die den Präsidenten flankierten, aber sie waren weder Politiker noch Konzernchefs. Ein Mann mit Locken, gutaussehend und lächelnd. Und ein Kerl mit traurigem Blick, Mordszinken und der bleiernen Ausstrahlung eines

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