Unterwelt
Flirts und mißverstandene Bemerkungen, im Grunde das Handwerkszeug der menschlichen Geschichte, auch wenn die Leute heutzutage nicht mehr so viel trinken wie früher, also kann man nicht sagen, daß der Gin sie glücklich und ungezwungen macht. Sondern eher die Ermunterung durch die anderen.
Es war der Dachterrassen-Sommer, der Sommer des Wetterleuchtens, und sie beobachtete, wie Gewitterwolken im Licht des nieder schießenden Blitzes weiß wurden. Drohender Regen, hieß es im Wetterbericht, aber es regnete selten. Sie wartete, daß Miles mit ihren Zigaretten auftauchte, und fand, es war ihr noch nie so sehr als Glück erschienen, am Leben zu sein, obwohl sie ihrer Arbeit wegen langsam nervös wurde, denn da kam einfach nichts.
In einer Ecke des Raumes redete sie mit einem Mann, der sich darüber beklagte, daß die Leute große Hunde in kleinen Wohnungen hielten, und als die Gäste allmählich aufbrachen, nahm sie den Fahrstuhl aufs Dach, und eine junge Frau sagte: »Ich werd noch semi-verrückt« – ich werd noch sämi-verrückt –, und ein Mann war auch da, ein Maler, den Klara kannte, mit einem toll aussehenden Schlips, und sie dachte, das Halten von Hunden in kleinen Wohnungen war eines der Themen, über die keiner redet, und dann tun's plötzlich alle, mit einem Schlag, es kommt aus den Türen und Fenstern geströmt, soll man oder soll man nicht, nur um eines Tages mit geradezu unbarmherziger Abruptheit wieder abzureißen, die Hunde bleiben wieder undiskutiert, seltene sibirische Rassen in Ateliers ohne Fahrstuhl.
Sie beobachtete die Joggerin auf ihrem Laufband, auf dem Dach eines Büroturms, eine Frau in neonfarbenem Trainingsanzug beim Sonnenuntergang, in der Ferne Schornsteine. Drei oder vier Gäste standen mit Drinks am Sims, schauten mit übereinstimmendem Vergnügen zu, und die Joggerin rannte auf ihrem Laufband, allein, dreißig Stockwerke hoch, es war wunderschön anzusehen, die anmutigen Schritte der Frau und der großartige verblaßte Tag, der sich glimmend auf den Glasflächen zeigte, und dann die Schornsteine der Elektrizitätsgesellschaft unten am Fluß, die prachtvolle Gifte herausbliesen.
Sie ging mit Miles über den Times Square und mußte mit ihm stehenbleiben, um ein Strizzimobil zu bewundern, das vor einer Oben-ohne-Spielhalle in einer Abschleppzone geparkt war. Der Wagen war rosé und lila lackiert, und die Seitenfenster waren mit eisernen Gittern geschützt – der Knabe hatte einen Urbanen Sinn für Humor. Touristen machten Fotos, posierten gegenseitig vor dem Auto, immer abwechselnd knipsen und posieren, und außerdem waren da rasierte Krishnas mit Handglocken, jung und blaß in ockerfarbenen Gewändern und hohen Turnschuhen, und sie hüpften hingebungsvoll auf und ab.
Acey Greene hatte so eine Großmutter-Nummer auf Lager, hauptsächlich eine Sache des Tonfalls, mit dem sie Klara als Kindchen titulierte. Rügend. Och komm, Kindchen, sei nicht so albern. Sie waren in einer Bar in SoHo.
»Es ist unmöglich«, sagte Klara. »Eine Frau denkt nicht im Traum daran, jemanden wie Miles zu heiraten.«
»Den du nicht heiraten willst, egal, ob du dran denkst oder nicht.«
»Trau ihm doch mal was zu.«
»Das tue ich allerdings«, sagte Acey.
»Nein, Miles ist klasse. Aber du mußt schon wahnsinnig sein, um irgendwas Dauerhaftes oder auch nur halbwegs Verbindliches mit ihm zu versuchen. Läuft nicht, weder von deinem noch von seinem Standpunkt aus.«
»Nur das Wort wilde Ehe.«
»Stimmt genau.« Und Klara lachte. »Allein schon das Wort.«
»Er ist ein bißchen ausweichend, wäre mein allgemeiner, weißt du.«
»Er ist ein bißchen unentschlossen«, sagte Klara, und je länger sie über seine Verantwortungslosigkeit sprach, desto mehr Zuneigung verspürte sie für diesen Mann. »Es gibt da immer die Verschwörungstheorie, ja.« Sie lachte wieder. »Er findet, irgendwas rückt ihm auf den Pelz, und er wird defensiv und zieht sich zurück. Aber es ist kein Streitpunkt. Es gibt keinen Streitpunkt zwischen ihm und mir. Wir kommen prima miteinander klar.«
Ihr flogen die Dinge aus der Hand. Ein Kaffeebecher flog ihr direkt aus der Hand und über die Küchentheke. Sie konnte die Kalbskoteletts nicht finden, die sie gerade gekauft hatte. Dann suchte sie nach dem Ersatzschlüssel zur unteren Tür. Der Schlüssel konnte nur an einem von zwei Orten sein, es gab keine andere Möglichkeit, weltweit, aber er war nicht hier und nicht dort, und sie stand am einen Ende des Lofts und starrte durch
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