Unterwelt
Souvenirs anhäufte. Sie dachte an seine View-Master-Dias vom Grand Canyon und dem wilden Westen, von den unerreichbaren Weiten, die er auf seinem Stereoskop herbeiklickte, und sie erinnerte sich ganz deutlich an das Bild des Hopi-Spähers, der sich auf der Klippe irgendeines Felsens postiert hatte, und dahinter in der 3-D-Ferne, was auch immer es war, Arizonas Painted Desert oder der Zion Park, und daß ihr eigenes Kleinsein, ihre Unauffälligkeit genau das Geschick war, das sie sich selbst zugeteilt hatte.
Acey trank Tequila, und Klara bestellte ihre übliche, öde Dosis Weißwein, denn sie mochte Weißen am Nachmittag, an den Tagen, wenn sie schon vor sechs oder so ein Glas trank, und Roten zum Abendessen, und ein leerer Nachmittag in einer dunklen Bar war nicht das Schlimmste, was einem passieren konnte.
»Was machst du denn so, arbeitsmäßig, und sollte ich davon wissen?« fragte Acey.
»Ich fahre nach Sagaponack, um mich zu verstecken.«
»Verstecken. Da versteckst du dich doch nicht. Du versteckst dich hier.«
»Kommt drauf an, wovor.«
»Fang an zu arbeiten. Fang einfach an zu arbeiten. Was sitzt du hier rum?« sagte Acey. »Wenn du mich bloß anglotzt, wirst du kaum Geschichte schreiben.«
Es war so feucht, daß man die Tür nur mit der Schulter zudrücken konnte. Sie hörte diese Schüsse auf einer Terrasse irgendwo, und dann sah sie die gestreifte Markise, Cinzano, und wußte, das Geräusch kam bloß von der Leinwand, die im Wind klatschte.
Klara redete über ihre frühen Zeiten als Malerin, wie sie versucht hatte zu malen, es war die Hölle im Taschenformat gewesen, in vielfacher Hinsicht, aber inzwischen fing sie an, nach Spätboheme auszusehen, irgendwie pastellfarben an den Rändern, falls sie sich nicht bald etwas energischer wieder ins Gedächtnis brächte.
»Die Männer, die männlichen Maler haben uns doch behandelt, sagen wir es doch, wie es ist, die großen Namen haben uns behandelt, als wären wir dumme kleine Möchtegernkünstlerinnern. Ewige Studenten, ja, mit Kniestrümpfen. Höchstens«, sagte sie. »Und apropos Arbeit.«
»Was?«
»Neulich habe ich dich lobend erwähnt. Als ich mit einer Frau sprach, die was über jüngere Künstler macht. Ich hab ihr gesagt, auf wen sie achten soll. Und dafür.«
»Und das war nicht das erstemal, und ich möchte dir sagen, es bedeutet mir sehr viel.«
»Halt den Mund. Und dafür«, sagte Klara, »bist du mir eine Vorschau schuldig, mündlich, denn wenn ich schon hier sitze und eine beneide, die arbeitet, dann kannst du mir zumindest erzählen, was du machst.«
Aceys Mund verzog und schürzte sich auf seine typisch spöttische Art. Sie schaute Klara an und trank aus und gab eine Art versengten Seufzer von sich.
»Na gut. Du erinnerst dich an den Marilyn-Monroe-Kalender, den du in meinem Atelier gesehen hast.«
»Klar.«
»Und du weißt, wie das ist, wenn du mit einem Projekt anfängst, daß du manchmal bei einer Reihe von Mißverständnissen ansetzen mußt.«
»Das ist immer mein Ansatz.«
»Ich habe nachgedacht und gearbeitet und skizziert und kleine Ölbilder und große Kohlezeichnungen gemacht, und schließlich war's mir klar. Ich will nicht Marilyn, sondern Pseudo-Marilyn. Ich wollte einen Komplettlook. Ich wollte nicht Monroe. Ich wollte Mansfield. Nur Fiatschlippen und Totaltitten. Ich meine, es war so sonnenklar, und ich brauchte scheiß-ewig dazu.«
»Hab ich je einen Film mit Jayne Mansfield gesehen?«
»Hat keiner. Macht nix. Sie paßte gar nicht in einen Film rein«, sagte Acey. »Und dann gab es die ganzen anderen Marilyns. Einerseits kann man nie genug Marilyns haben. Andererseits sind in dem Augenblick, als Marilyn starb, auch die anderen Sexbomben gestorben. Als wäre ihnen philosophisch die Existenz verboten worden. Jayne hat Marilyn nur um fünf Jahre überlebt, und ungefähr viereinhalb Jahre davon war sie fertig, am Ende, verdroschen von Ehemann Nummer Wasweißich, und das einzige, was ihr noch blieb, waren ausbeuterische Filme und der Suff.«
»Hey, Grenzüberschreitung. Weiße Frauen«, sagte Klara.
»Jayne war ein weißer Wal. Ich mußte eine Menge hochmütigen Scheiß abschütteln, bevor ich dahin kam, wo ich jetzt mit dieser Arbeit bin. Und ich mache da ein paar Farbgeschichten, zu denen ich gern deine Meinung hätte.«
»Jederzeit.«
»Weil ich nur dir vertraue.«
»Verlogene Komplimente sind anstrengend«, sagte Klara. »Deshalb mach ich auch keine.«
Es war der Sommer, als Nixon im Fernsehen winkte, in
Weitere Kostenlose Bücher