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Unterwelt

Unterwelt

Titel: Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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dem Spot aus den Fünfzigern Eisenhowers Handgelenk umklammerte oder diese zuckende Handbewegung über dem Kopf machte, abrupt und neurologisch seltsam, oder sein letztes Winken vom Helikopter auf dem Rasen, vorschießende Arme, die Finger bildeten ein trauriges Paar V's, oder die Spots aus den späten Sechzigern, seine Arme unkontrolliert in die geflügelte Geste des Sieges hineingeschleudert, des übelnehmerischen verzerrten Triumphes – da bin ich, ihr Arschlöcher, einfach nicht totzukriegen.
    Miles überredete sie, ihn zu Bloomingdales zu begleiten und ihm beim Kauf eines Geschenks für seine Mutter zu helfen, denn sie würde begeistert und etwas beschämt sein, also seine Mutter jetzt, in glückliche Bekümmertheit gehüllt, wenn sie, in ihrer Vorstadt von Toledo, etwas von Bloomingdale's besäße.
    Sie durchquerten ein großräumiges Areal voll spiegelnder Flächen und kleiner knubbliger Flaschen mit Hunderten von üppigen, nachhaltigen Essenzen, und schließlich fand Klara etwas, eine Batikbluse und dazu irgendwie orientalische Hausschuhe, und sie waren auf dem Weg nach draußen, durch die Herrenbekleidungsabteilung, angedeutete Herbstdekoration und viele Tische und Auslagen, Ständer voller Übergangsmäntel und Vliesfutter, als Miles sagte: »Wart mal.«
    Was ist denn, fragte sie sich, und er legte ihr die Hand auf den Arm – warte, schau mal, sag nichts. Dann sah sie, was er meinte. Acht oder neun Jungen, schwarze Bengel, die sich zwischen den Anzügen und Strickpullovern durchschlängelten, jetzt schon bald ein Dutzend, die meisten Jugendliche, aber ein paar nicht älter als zehn.
    Dann sah sie einen Wachmann, der vom Rand der Halle kam, per Walkie-Talkie herbeigerufen, und die Jüngeren versuchten sich zwischen den spiegelnden Flächen unsichtbar zu machen, geradezu komisch, mit rollenden Augen spähten sie verstohlen umher, mittlerweile mußten sie den Druck spüren, die volle Last der Beobachtung. Einer von ihnen schnappte sich eine Jacke, ziemlich hastig, und ein anderer sagte etwas, und jetzt legten sie alle los, stürzten sich auf eine Auslage. Sie griffen zu und rannten wegJacken flogen von den Bügeln, und Bügel schlugen auf den Boden, und die Jungen schnappten sich, was sie kriegen konnten, ein paar von ihnen zwei, drei Jacken, andere nur eine, oder zwei Bengel griffen nach derselben Jacke und rasten auf verschiedene Ausgänge zu. Zwei Wachmänner waren zügig im Anmarsch, ein dritter saß am Haupteingang halb in der Hocke. Die Kunden standen reglos und alarmiert da, wie angewurzelt in neutralen Zonen, ein Junge wurde von einem Wachmann festgehalten, und Klara spürte, wie ein halbes Dutzend andere kreuz und quer durch das Kaufhaus rannte, Haken schlug und auswich, und all die Jackenärmel flatterten nur so.
    Und Miles sagte: »Leder«, in seiner Stimme schwang diebische Freude mit.
    Er sagte: »Sie nehmen die U-Bahn runter bis zur 59. Straße und kommen die Treppen hoch, direkt in das Geschäft, sie überfluten eine Abteilung und schnappen sich, was sie kriegen können, und dann sind sie wieder draußen, Mann, in alle Himmelsrichtungen.«
    Er sagte: »Die Wachleute kriegen zwei, vielleicht drei von ihnen, allerhöchstens.«
    Er sagte: »Hast du gesehen, sie haben nicht die dicken gefutterten Parkas genommen, weder das warme Zeug noch was mit Kapuzen oder die Daunenwesten. Nur Leder. Sie haben die Ledersachen genommen«, und seine Stimme sang vor Bewunderung.
    Acey beugte sich über ihr leeres Glas. »Wie alt war er?«
    »Weiß nicht. Siebzehn, achtzehn. Ich glaube, ich wollte es nicht wissen.«
    »Siebzehn, das ist schon ein Mann.«
    »Ich habe Zeichenunterricht für Kinder gegeben, halbtags. Und ich hatte eine kleine Tochter, zwei oder drei Jahre alt, das war furchtbar genug, und die Mutter meines Mannes, die war bettlägerig, oder vielleicht war sie inzwischen auch schon gestorben, und dann natürlich noch meinen Mann.«
    »Und dieser jugendliche Kriminelle in seinen – trugen die damals Röhrenhosen? Der hat dich angemacht.«
    »Ich weiß nicht, wer wen angemacht hat. Ich weiß nur noch, wir liegen in dem Gästezimmer, und gleich nebenan war vor kurzem meine Schwiegermutter gestorben.«
    Acey riß die Augen scherzhaft auf und ließ den Mund offenstehen.
    »Vielleicht hast du recht. Siebzehn, das ist schon ein Mann«, sagte Klara. »Denn eines war es sicher nicht. Es war kein Fall von sexueller Initiation. Es war kein bißchen zärtlich. Und er brauchte keine besondere Anleitung. Und mit

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