Unterwelt
von Eric. Sicher war Rick so überrascht und aufgeregt wie sie, aber er war willens, sich irgendwo auf eine Wiese zu stellen und zu versuchen, das am Himmel schwebende Objekt zu entdecken. Erica verspürte eine vertrackte Art von Enttäuschung. Das Ding gehörte denen, nicht uns. Es flog mit einer unglaublichen Geschwindigkeit über den Nordpol, piep piep piep, und zu bestimmten Zeiten natürlich auch über uns hinweg. Sie verstand einfach nicht, wie das hatte geschehen können. Standen jetzt weitere Überraschungen bevor, gab es Dinge bei den anderen, die uns noch niemand gesagt hatte? Hatten die etwa Frischefächer und Laubengänge? Es war gar nicht so einfach, sich auf die Neuigkeiten einzustellen.
Rick sagte: »Wie isses, Eric? Wülste mit rausfahren?«
»Hey Dad. Ga, ga, ga, ganz toll.«
Ein Leichentuch senkte sich über den Tisch und vertrieb Ericas Sputnik-Kater. Sie glaubte, Erics gelegentliches Stottern hätte damit zu tun, daß er so viel Zeit allein in seinem Zimmer verbrachte. Paukt zu viel, dachte Rick. Gepaukt wurde da allerdings was, aber Erica stellte sich lieber keine detaillierten Bilder vor.
Nicht gewaltsam öffnen oder verbrennen.
Der Junge war imstande, im Familienzimmer zu sitzen und fernzusehen, vor ihrer Superfernsehtruhe, die zu den knorrigen Kiefernpaneelen paßte, und bei jeder Show den Dialog vorwegzunehmen. Nachrichtensendungen, Ballspiele, Komikershows. Er machte jede Stimme nach, egal wie der Sprecher oder Schauspieler sprach, paßte die Worte nahezu nahtlos ein, und er stotterte niemals.
Alle anderen Kinder aßen Oreo-Kekse. Eric aß Hydrox-Kekse, weil der Name nach Raketentreibstoff klang.
Einer ihrer Küchenhandschuhe fehlte – sie hatte viele Paare davon –, und sie wollte nur zu gern glauben, Eric hätte ihn sich für seine Chemieaufgaben ausgeliehen. Aber sie hatte Angst, danach zu fragen. Und sie konnte sich kaum vorstellen, daß sie sich darauf freute, den Handschuh zurückzubekommen.
Gestern hatte er einen Hydrox-Keks in Milch getunkt, ihn tropfend über das Glas gehalten und mit schwerer Zunge gesagt: »Särr gutt, daß wirr russische Monnd in amerikanische Chimmel geschossen.«
Dann biß er einmal ab und schluckte.
Die Männer gingen nach draußen, um den Satelliten auf seiner Umlaufbahn zu suchen. Erica räumte den Tisch ab, zog ihre gummiartigen Handschuhe an und begann mit dem Abwasch. Rick hatte sie schon öfter wegen der Handschuhe aufgezogen. Die Küche war natürlich mit einer automatischen Spülmaschine ausgestattet. Aber sie fühlte sich als Hausfrau dazu verpflichtet, zuvor eine Runde Abwaschen und Scheuern von Hand einzulegen, denn wenn man nicht jedes Fitzchen organischen Pamp zwischen den Gabelzinken und von den Töpfen abkriegt, bevor man den Geschirrspüler einschaltet, könnte es einen am nächsten Morgen wieder einholen.
Augen mit Wasser ausspülen und sofort Arzt rufen.
Und die Handschuhe schützten sie vor dem kochendheißen Wasser und der Berührung mit Essensresten. Erica liebte ihre Handschuhe. Die Handschuhe waren praktisch unzerstörbar, sie bestanden aus demselben Material wie Arbeitsplatten und Fernsehröhren und wie es zur Elektroisolierung im Keller und bei den vulkanisierten Reifen am Auto benutzt wurde. Die Handschuhe bedeuteten ihr viel, egal, wie sie sich anfühlten, klamm oder trocken, ein Gefühl, das seinem eigenen, inneren Widerspruch trotzte.
Alle Dinge um sie her bedeuteten etwas. Dinge und Worte. Worte, an die man glauben, nach denen man leben konnte.
Laubengang
Fahrgemeinschaft
Frischefach
Bridgeparties
zusammensetzbar
nahtlos
Als sie in der Küche fertig war, beschloß sie, den Wohnzimmerteppich zu saugen, bis ihr klar wurde, daß das ihre Laune verschlechtern würde. Sie hatte vor kurzem einen neuen Staubsauger in Satellitenform gekauft, den sie mit großem Vergnügen durch den Raum schob, denn er summte leise und wirkte futuristisch und hoffnungsfroh, aber nun war sie gezwungen, ihn wehmütig anzuschauen, seit Sputnik war er ein klapperndes Objekt voller Selbstmitleid.
Stapelbare Stühle
Raumteiler
Zierkissen
Fruchtentsafter
Lagerwände
Backpapier
Sie wollte ihre Laune ein bißchen heben und etwas für das Kirchenfest am Samstag machen, das würde die Veranstaltung eine Spur aufpeppen.
Nicht in geschlossenen Räumen verwenden. Sie würde sechs Schüsseln von ihrem Jell-O-Antipastosalat zubereiten. Sechs Packungen Jell-O-Zitronengelatine. Sechs Teelöffel Salz. Sechs Tassen kochendes Wasser. Sechs Eßlöffel Essig.
Weitere Kostenlose Bücher