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Unterwelt

Unterwelt

Titel: Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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die von der Nachricht des Ereignisses angezogen worden wären. Einige wenige Demonstranten waren noch da, inzwischen etwas matt, junge Leute in schmierigen Batikklamotten, und ein paar Beamte von der Stadtpolizei auch, noch abgeschlaffter, denen die ewige, lastende Anstrengung eines mächtigen, runtergeschlungenen Essens anzusehen war, das schwer im Magen liegt und Überstunden macht.
    Der große dunkle Wagen fuhr um den Block, drinnen ausgerüstet mit einer Arpège-Sprühflasche voll Raumluftdeodorant, und Clyde prüfte die anderen Eingänge.
    Die Nordstufen waren leer, er klopfte an die Scheibe, der Chauffeur fuhr vor, die beiden Männer stiegen aus, und plötzlich war der VW wieder da, schnitt ihnen von vorn den Weg ab, Menschen quollen heraus, drei, vier, was denn, sechs, ein Zirkuswagen, aus dem sich lauter Clowns ergossen, ungefähr sieben Leute, die auf den Bürgersteig purzelten und die Stufen hochhasteten, um den Eingang zu flankieren.
    Alle trugen Masken, die Gesichter asiatischer Kinder, einige blutbespritzt, andere mit zugenähten Augen, und als Hoover und Toison auf der Treppe waren, begannen sie zu schreien.
    Der erste Mann war ungeschickt und langsam, und der zweite nahm stützend seinen Arm, und sie quälten sich bis zum Eingang durch.
    Sie hörten: »Abschaum der Gesellschaft!«
    Sie hörten: »Ein totes asiatisches Baby für jeden Gucci-Schuh!«
    Clyde war sich nicht sicher, ob die wußten, wen sie vor sich hatten. War Edgars Maske ausreichende Tarnung für seine knorrige alte Medienfratze?
    Sie hörten Losungen, Schimpfwörter und Fachausdrücke.
    Und sie kämpften sich nach oben, Schritt für Schritt, die Augen nach vorn, die Arme außen auf Tuchfühlung, und die Protestler kreischten und zischten.
    »Vietnam! Liebt es oder laßt es!«
    »Weiße Killer mit schwarzer Krawatte!«
    Eine junge Frau stand am Eingang, mit der Maske eines zerschmetterten Kindergesichts, und sie sagte eher leise zu Edgar, sie trat ihm in den Weg und sprach gleichförmig, flüsterte geradezu:
    »Wir werden nicht eher verschwinden, Alter, bis du zusammen mit deinem Müll auf einer Halde liegst.«
    Clyde sagte: »Vorsehn bitte«, wie ein Kellner mit einem schweren Tablett, und ein paar Minuten später, nach einem Zwischenstop auf der Herrentoilette, um sich zu sammeln, waren der Direktor und sein Adjutant partybereit.
    Aber zuvor fragte Edgar: »Wer waren diese Spinner?«
    »Dazu fällt mir das eine oder andere ein. Ich setze jemanden drauf an.«
    »Hast du gehört, was sie gesagt hat? Ich glaube, die stehen in Verbindung mit der Müllguerilla.«
    »Rück deine Maske gerade«, sagte Clyde.
    »Ich möchte gern dabei zusehen, wie die so langsam wie möglich zermalmt werden. Über Wochen und Monate, und das Ganze auf Tonband.«
    Sie gingen durch den Korridor auf den großen Ballsaal zu. Sie waren schon fünfhundert Korridore auf dem Weg zu irgendeinem zeremoniellen Ereignis entlanggegangen, einem Ehrendinner, einem rituellen Salut für Edgars Jahrzehnte im FBI, aber so eine Geräuschkulisse hatten sie noch nie erlebt.
    Ein gedämpftes Röhren, eine Art Rumpelsummen, auch Kronleuchterklingeln gehörte zu der Mischung, und das träumerische Schwingen der Tanzmusik und ein Stimmenklang der Selbstverzückung – Köder und Faszination eines Lebens, das bestimmt war durch seine Ferne vom tagtäglichen Aschengebrödel des Weltjammers.
    »Tonbänder mit Schreien und Stöhnen«, sagte Edgar, »ein ideales Wiegenlied für mich.«
    Sie schritten durch den Balls aal, gingen hin und her, sahen überall Prominente. Der Raum war hoch und weiß und primelgold, flankiert von griechischen Säulen, die das blitzflackernde Bernsteinlicht von tausend Kerzen einfingen.
    Schwanenhälsige Frauen in Atlaskleidern. Masken von Halston, Adolfo und Saint-Laurent. Mutter und Schwester eines amerikanischen Präsidenten und die Tochter eines anderen. Energische kleine Männer, stolzgeschwellt vor Status. Blaublütige Jetsetter, ein Maharadscha mit Maharani, eine Baroness Sowieso mit perlenbestickter Maske. Berühmte, rasende Säuferdichter. Forsche, clevere, schicke Frauen, die Modemagazine und Designerkleidung managten. Frisuren by Kenneth – gezupft, gedreht, zurückgekämmt und gelockt.
    »Hast du gesehen?«
    »Die alte Matrone«, sagte Edgar.
    »In der Billigmaske.«
    »Perlenbestickt.«
    Sie schüttelten hie und da geziert Hände, ließen diesem oder jener eine kleine Schmeichelei zukommen, und Clyde wußte, wie sich der Direktor unter Menschen der

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