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Unterwelt

Unterwelt

Titel: Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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Albert fand, hätte bemerken und bestätigen können.
    »Aber Baseball ist nicht das Spiel, über das wir hier reden wollen«, sagte Paulus.
    In anderen Cafés hatte der Priester mit demonstrativer Wertschätzung ein Törtchen aus der Vitrine gewählt, unter Stöhnen und Ausrufen, aber heute war er zurückhaltend, wedelte in Richtung Mandelplätzchen und bat das Mädchen, noch einen Kaffee zu bringen. Dann setzte er sich auf seinem Stuhl in Positur und pflanzte die Ellbogen fest auf den Tisch, ein kleiner visueller Scherz, und stützte den Kopf auf die Handflächen – der Spieler, angespannt über sein Brett gebeugt.
    »Ich habe ihn in Schachclubs mitgenommen«, sagte Bronzini, »wie wir letztes Mal besprochen hatten. Das muß sich anständig entwickeln. Stärkere Gegner in einer organisierten Umgebung. Aber er hat nicht so gut abgeschnitten, wie ich erwartet hatte. Ein paarmal ist er richtig abgezogen worden.«
    »Und wenn er nicht spielt?«
    »Wir verbringen die Zeit mit Lernen und Üben.«
    »Wieviel Zeit?«
    »Normalerweise drei Tage die Woche. Ein paar Stunden bei jedem Besuch.«
    »Das ist ja absolut lächerlich. Red weiter.«
    »Ich will den Jungen nicht zwangsernähren.«
    »Red weiter«, sagte Paulus.
    »Ich bin ja nur ein Nachbar. Ich kann ihn nur bis zu einem gewissen Punkt drängen. Es gibt hier keine Tradition. Er ist eines Tages einfach aufgetaucht. Shazam. Ein Junge von einem anderen Planeten, weißt du?«
    »Er wird ja wohl nicht als Schachspieler auf die Welt gekommen sein, oder?«
    »Sein Vater hat ihm die Regeln beigebracht. Ein Buchmacher. Hat natürlich alle Zahlen im Kopf gehabt. Die Wetten, die Quoten, die Mannschaften, die Pferde. Er konnte ein Wettformular auswendig lernen. So erzählen es sich die Leute. Er konnte sich ein Wettformular mit den Tagesrennen, den ersten Quoten am Morgen, den Jockeys und so weiter anschauen. Und er konnte sich die Daten zahlreicher Rennen innerhalb von Minuten einprägen.«
    »Und er ist verschwunden.«
    »Verschwunden. Vor ungefähr fünf Jahren.«
    »Und der Junge ist elf, das heißt, Daddy hat ihn gerade mal in Gang gebracht.«
    »Seitdem bin ich gelegentlich sein Mentor gewesen, wie adäquat auch immer.«
    Der Priester machte eine begütigende Geste, eine erhobene Hand, die jede weitere Erklärung überflüssig machte. Das Mädchen brachte starken schwarzen Kaffee und ein Glas Wasser und ein paar Plätzchen auf einem Teller.
    »Die Mutter ist irische Katholikin. Und es gibt noch einen Sohn. Einer meiner früheren Schüler. Nur ein Halbjahr lang. Intelligent, denke ich, aber faul und unmotiviert. Er ist sechzehn und kann von der Schule abgehen, sobald er will. Und jetzt spreche ich für die Mutter. Sie meinte, ob du vielleicht bereit wärst, dich mal eine Stunde mit ihm zusammenzusetzen. Ihm von der Fordham-Uni zu erzählen. Was das College einem solchen Jungen zu bieten hätte. Was die Jesuiten zu bieten haben. Unsere beiden Schulen, Andy, liegen direkt gegenüber und sind doch meilenweit voneinander entfernt. Meine Schüler, einige von ihnen wissen gar nicht, ihnen ist die Tatsache völlig entgangen, daß da eine Universität hinter den Bäumen versteckt ist.«
    »Einige meiner Schüler haben dasselbe Problem.«
    Bronzini lachte gerade noch rechtzeitig.
    »Aber was für eine Verschwendung, wenn ein Jugendlicher wie er in einem Lagerraum oder einer Werkstatt verschwände.«
    »Du hast dein Plädoyer gehalten. Betrachte deinen Auftrag als erfolgreich ausgeführt, Albert.«
    »Tunk dein Biscotto ein. Nur nicht so schüchtern. Tunken, tunken, tunken. Diese Plätzchen sind direkte Abkömmlinge von Honig- und Mandelkuchen, die in Blätter gewickelt gebacken und bei römischen Fruchtbarkeitsriten gegessen wurden.«
    »Ich glaube, die Pflicht, unsere Spezies fortzupflanzen, wird anderen obliegen müssen. Nicht daß mir gelegentlicher Kontakt mißfallen würde.«
    Bronzini vorgebeugt.
    »Ganz im Ernst. Hat es dir je leid getan?«
    »Was, nicht zu heiraten?«
    Bronzini nickend, die Augen hellwach hinter den Gläsern.
    »Ich will nicht heiraten.«Jetzt war der Priester dran, sich vorzubeugen, die Schultern zu senken, sein Kinn auf die Tischplatte rutschen zu lassen. »Ich will es bloß treiben«, flüsterte er elektrisierend.
    Bronzini schockiert und fasziniert.
    »Der Ausdruck ›es treibem ist so verblüffend und umstürzlerisch treffend. Aber das Verb zu konjugieren ist kein ausreichender Zeitvertreib. Ich würde es gern mit einem Filmstar treiben, Albert. Mit der

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