Unterwelt
in die Reinigung brachte. Der Mantel war seine Privatbank, bloß hatte er ihr das nie gesagt, und sie brachte ihn in die Reinigung und ging noch mal hin, als sie das mit dem Geld erfuhr, und die sagten, Was für Geld, Lady? Es gab eine Innentasche, von der sie nichts gewußt hatte. Was für Geld, Lady?
Sie stickte die Perlen mit einer Holzgriffnadel auf, folgte dem Muster, das auf den Stoff gedruckt war.
Aber wie kam es, daß wir so viel lachten? Wie kam es, daß wir an dem Abend mit den siebenhundert Dollar tanzen gingen und lachten und tranken?
Er war kein Draufgänger, der verrückte Risiken einging, aber der Außenseiter gewann das Rennen, und er geriet allmählich unter Zahlungsdruck.
Wer ist besser als ich, sagten sie.
Das konnte sie nicht sagen, zum Teil wegen ihrer Persönlichkeit, aber auch, weil sie die gewöhnliche Zufriedenheit über die Dinge nicht mehr so empfinden konnte wie früher. Sie fühlte sich weder begünstigt noch bezaubert.
Er hatte ihr Leben durch sein Weggehen umgekrempelt. Die Stimme, die in ihrem Kopf lief, war nicht dieselbe, die sie vor seinem Weggehen gehört hatte.
Aber wie kam es, daß wir auf der 86. Straße deutsch essen waren und im Corso ein paar Straßen weiter tanzen gingen, siebenhundert Dollar ärmer?
Es war jetzt weniger von ihr da und mehr von anderen Leuten. Sie wurde zu anderen Leuten. Vielleicht nannte man sie deshalb Rose.
Nick streifte durch die Schulflure. So kurz vor Weihnachten hatten die katholischen Kinder schon Ferien, Matty hatte Ferien, die Einkaufsgegend war mit Lichtern und Kränzen dekoriert, die Händler stellten um fünf Uhr morgens Bäume nach draußen, die man von weitem riechen konnte, und es waren Aale im Angebot, für das Weihnachtsessen, und Fichten und Balsamtannen lehnten an den Mauern, aus dem Hinterland, und Kinder luden Kisten voller Trauben aus Kalifornien ab, für Kunden, die ihren eigenen Wein herstellten.
Nick streifte rauchend durch die Flure, und Remo kam aus einem Klassenzimmer, in engen, unten festgeklammerten Hosen und der Eisenhower-Jacke, die er nie auszog.
»Was machst du hier?«
»Spazierengehen«, sagte Nick.
»Du gehst drinnen spazieren?«
»Schon draußen gewesen? Scheiß-eiskalt. Was machst du hier?«
»Hey. Ich geh hier zur Schule. Was machst du hier?«
»Spazierengehen«, sagte Nick.
»Ich hab die Erlaubnis, zum Arzt zu gehen.«
»Die Krankenschwester. Zu der willst du.«
»Heb mir einen Zug auf«, sagte Remo.
»Wo ist Hauswirtschaft?«
»Weiß nicht. Am Ende von dem Flur vielleicht. Du arbeitest, hab ich gehört.«
»Eiskremfabrik.«
»Anständig bezahlt?«
»Vergiß es.«
»Wenigstens fest?«
»Du mußt es bringen. Wie an den Docks«, sagte Nick und fühlte sich dabei als erwachsener Mann. »Ein Typ sagt, Du, du, du, du. Alle anderen gehen nach Hause.«
Remo wirkte beeindruckt.
»Kannst du auch was von der Ware essen?«
»Ach, willst du die Wahrheit wissen?«
»Was?«
»Wir stehlen und verkaufen sie. Aber wir müssen schnell arbeiten.«
Remo wußte nicht, ob er das glauben sollte. Er griff nach der Kippe von Nicks Zigarette, und Nick gab sie ihm, und Remo nahm zwei gierige Züge und warf sie dann hin, trat sie aus, atmete aus und ging ins Sprechzimmer des Arztes.
Als es klingelte und die Klassenräume sich leerten, erspähte Nick Loretta und Gloria, und sie gingen gemeinsam zur Fordham Road hinaus.
»Allies Vater hat einen Treffer gelandet«, sagte Gloria. »Ich weiß. Hab davon gehört.«
»Er hat nur fünf Dollar drauf gesetzt, kaum zu glauben.«
»Es stimmt. Ich weiß es mit Sicherheit«, sagte Nick.
Ein älterer Bursche namens Jasper, ein berüchtigter Fotzenheld, saß in einem Ford Cabrio, schon mit offenem Verdeck bei diesem Wetter, und laufendem Motor und hörte Radio. Die beiden Mädchen gingen stumm vorbei, beide stumm, der gleichen Meinung, und tauschten Unausgesprochenes über Jasper aus.
»Wer setzt denn fünf Dollar?« sagte Loretta. »Fünfzig Cents setzen die doch. Oder einen Dollar, wenn sie glauben, daß es ihr Glückstag ist.«
»Er hatte einen Traum«, sagte Nick.
»Er hatte einen Traum. Was für einen Traum?«
»Was für einen Traum. Er hat die Zahl geträumt. Was sollte er sonst träumen?«
»Für fünf Dollar«, sagte sie, »muß das aber sehr überzeugend gewesen sein.«
»In Technicolor«, sagte Gloria.
»Wenn ich eine Zahl träume, denke ich, an dem Datum muß ich sterben«, sagte Loretta. »Und dieser Mann gibt einem Gangster fünf Dollar.«
»Gangster.
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