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Unterwelt

Unterwelt

Titel: Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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Was für ein Gangster? Er hat das Geld Annette Esposito gegeben.«
    »Wer ist das?«
    »Ein katholisches Schulmädchen. Sie geht auf dieselbe Schule wie mein Bruder«, sagte Nick. »Sie nimmt für ihren Vater Wetten an. Jeden Tag macht sie die Runde.«
    »In ihrer Schuluniform«, sagte Gloria.
    »Die Kunden mögen einen Boten, dem sie vertrauen können.«
    Sie kamen am White Castle vorbei, wo ein paar Jugendliche Sägemehl-Hamburger aßen, und dann überquerte Gloria die Straße und ging in ihr Haus.
    »Wo ist dein Radio? Du hattest doch immer dein Radio dabei«, sagte Loretta.
    »Ich hatte ein Radio in meinem Auto. Mehr Radio brauch ich nicht.«
    »Es ist besser so«, sagte sie. »Du findest, es ist besser so.«
    »Ich bin erleichtert«, sagte sie. »Dieses Auto, meine Güte. Kannst du mir sagen, was daran nicht kaputt war? Abgesehen davon, daß es gestohlen war.«
    »War's etwa nicht schön in dem Auto?«
    »Im Autokino war's schön. Nicht auf den dunklen Straßen. Wie Verbrecher.«
    »Das waren wir aber«, sagte er.
    Sie lachte. Sie hatte zwei Zähne, die nicht ganz gerade standen, links und rechts von den Schneidezähnen, und er fand, die machten ihr Lächeln sexy.
    Sie wandten sich ostwärts, und er sah einen Müllwagen und JuJus Vater, der Müllmann war, wie er gerade von dem Wagen sprang und mit großen Schritten über den Bürgersteig ging, den Deckel von einer Tonne rüttelte, sie zum Wagen hievte und kopfüber in das Mahlwerk kippte.
    »Siehst du den Mann da? Das ist JuJus Vater«, sagte er, mit stolzer Schärfe in der Stimme.
    Er bewunderte die Anmut der Tätigkeit, die lange, fließende Körperbewegung vom Kellereingang zum Wagen, wie der Mann ringergleich die Tonne über den Bürgersteig wirbelte, alles mit den Unterarmen, und seine Freiheit, Lärm zu machen, die Tonne zu schleifen und das Mahlwerk laufen zu lassen, und dann das Hieven und Kippen, hauptsächlich eine Schulterbewegung, und am Anfang das Abnehmen des Deckels, eine halb verächtliche, aber auch anmutige Geste, die er sich durch diese Art von Arbeit verdient hatte.
    Und wie er die Tonne zu dem schmiedeeisernen Geländer zurückschleuderte, das die Kellertreppe sicherte. Auch ein Privileg dieses Berufs, dachte Nick.
    Sie erreichten Lorettas Haus und gingen hinein.
    Loretta stand im Flur und drehte sich um, damit er sie küßte, und er küßte sie, schob sie gegen die Briefkästen, Lorettas Bücher zwischen ihren Körpern, die vor und zurück glitten.
    »Wer ist da?«
    »Alle sind da.«
    Er drückte sie gegen die Briefkästen und hörte, wie ihr Rock an den Schlitzen im Metall entlangschubberte, wo man sehen konnte, ob Post da war.
    »Bist du immer noch froh, daß ich mein Auto nicht mehr habe?«
    »Es ist hellichter Tag, Auto oder nicht.«
    »Wir hätten uns auf den Parkplatz bei Orchard Beach stellen können. Nur die Möwen und wir.«
    Sie küßte ihn.
    »Dann klau halt ein anderes Auto«, sagte sie nuschelnd.
    Er schlug die Augen auf, während er sie küßte, und sie schaute ihn aus großen braunen Augen an, die sieben Dinge auf einmal zu denken schienen. Sie wußte, daß er schon mit anderen Mädchen was gehabt hatte, Handbetrieb, Blasen, was sonst noch, reinstecken rausholen, reinstecken drinbleiben, ohne Pariser, mit Pariser, alles mögliche, und sie wußte, wer die Mädchen waren, von der Washington Avenue, der Valentine Avenue, eine von der Kingsbridge Road, denn irgendwer hatte es wem anders erzählt, der dafür sorgte, daß sie es erfuhr, und Nick wußte, daß sie es wußte, weil Gloria mal eine Bemerkung JuJu gegenüber gemacht hatte, wie in den Schmonzetten, die seine Mutter bei ihrer Perlenstickerei immer im Radio hörte.
    »Kommst du morgen zu mir?« sagte sie.
    »Morgen arbeite ich.«
    »Sie sind alle da. Was soll ich sagen?«
    »Ich muß arbeiten. Was soll ich sagen?«
    »Wann hast du dir das letztemal die Haare gewaschen?« sagte sie.
    Er lief ein Stück und ging schließlich in den Zoo, ein spontaner Entschluß, betrat ihn durch das hohe Bronzetor und ging im kalten, steifen Wind an den Seelöwen vorbei, der Zoo war ziemlich menschenleer, so weit man sehen konnte. Er vermißte seinen Schrotthaufen-Chevy, keine Nummernschilder, keine Versicherung, kein Führerschein, das Getriebe im Arsch, die Beifahrertür, die bei jedem Linksabbiegen ohne Vorwarnung aufsprang, nur Nachtfahrten, lauernd und schattengleich, meistens allein, rauchend, mit oft rauschendem Radio.
    Er war wütend über irgend etwas, aber es war etwas anderes,

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