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Unterwelt

Unterwelt

Titel: Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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wohnte bei seiner achtzigjährigen Großmutter und spielte manchmal tagelang Poolbillard, wenn er gerade nicht arbeitete. Und wenn er überhaupt nichts dergleichen tat, dann konnte Nick ihn hier finden, und sie spielten ein Kartenspiel namens briscola, im Dialekt zu brieschk verkürzt, ein Spiel der alten Männer, und die beiden spielten es nur zum Zeitvertreib, da gab es Schlimmeres, denn George der Kellner hatte etwas an sich, das Nick interessant fand.
    »Wann, gestern nacht?«
    »Gestern nacht. Das Lokal ist überfallen worden.«
    »Der Billardsalon ist überfallen worden?«
    »Drei Männer mit Pistolen«, sagte George, und er machte ein Geräusch wie Filmmusik.
    »Drei Männer mit Pistolen. Warst du da?«
    »Ich bin um sechs Uhr zur Arbeit ins Restaurant gegangen, um elf zurückgekommen, hab eine Partie Pool gespielt und bin dann heimgegangen. Es ist erst viel später passiert. Die haben die Pokerrunde ausgeraubt.«
    »Die haben die Pokerrunde ausgeraubt?«
    »Willst du alles wiederholen, was ich sage?«
    »Ich bin platt, was ich da höre.«
    »Und Strumpfmasken.«
    »Und Strumpfmasken. Was ist das?«
    »Ein Frauenstrumpf, ein Nylonstrumpf.«
    »Über dem Gesicht?« sagte Nick.
    »Nein, an den Beinen. Madonn', ich dachte, dieser Bengel wäre schlau.«
    »Ich bin platt, was ich da höre. Über dem Gesicht.«
    »Über dem Gesicht. Damit ihre Züge nicht zu erkennen sind.«
    »Strumpfmasken. Drei Männer. Wo war denn Dingens? Der Typ an der Tür, der angeblich bewaffnet und gefährlich sein soll. Wo war dieser Walls?«
    »Nicht gekommen.«
    »Walls ist nicht gekommen. Das ist interessant.«
    »Sie haben den ganzen Tisch fein säuberlich abgeräumt. Dann kamen die Spieler dran, einer nach dem anderen, die mußten ihre Hosentaschen umdrehen. Dann Mike der Buchmacher, der da liegen hat, was immer er da liegen hat, die Einnahmen eines ganzen Tages. Billardeinnahmen und Wetten.«
    »Wieviel?«
    »Alles in allem. Über zwölftausend, hab ich gehört. Das heißt, hab ich gehört. Wer weiß schon wieviel?«
    »Zwölftausend.«
    »Drei Männer mit Pistolen. Pistolas.«
    Und George machte mit den Händen wirbelnde Bewegungen in Gürtelhöhe, wie ein mexikanischer Bandit, der mit seinen Knarren angibt, und er war selten so forsch gewesen.
    Nick mischte und gab.
    »Ich wollte Bier mitbringen«, sagte er.
    »Wer verkauft einem Minderjährigen Bier?«
    »Ich hab Donatos Frau gesagt, ich wär neunzehn. Sie sagt, Glaubst wohl, ich wär stunatl«
    »Aber Bier verkauft sie dir.«
    »Bier verkauft sie mir.«
    »Das macht sie aus reinem Rochus.«
    »Auf wen?«
    »Die Welt«, sagte George. »Strumpfmasken. Ich bin platt.«
    Sie spielten eine Weile Karten, dann beugte sich George vor und zog die Schublade am Ende des Tisches auf und tastete nach Zigaretten, ohne die Augen von seinem Blatt zu lassen.
    »Hast du da deine Gummis drin?«
    »Ist doch egal, was ich da drin habe.«
    »Wer ist sie? Kannst mir trauen. Wem soll ich's schon erzählen? Ist es die, mit der ich dich mal im Park in einem Ruderboot gesehen habe?«
    »Wenn du mich mit einer Frau in der Öffentlichkeit gesehen hast, dann ist sie nicht die Frau, die hierherkommt. Und du hast mich in keinem Boot gesehen, Schlaumeier.«
    »George, ich mein's ernst.«
    »Was?«
    »Besorgst du deinen Freunden öfter was?«
    George sah ihn offen aus tiefen, irgendwie leeren Augen an.
    »Das ist kein Mädchen. Das ist eine Frau. Und das ist nichts für dich. Ich werde bald vierzig, Nicky. Du kannst kriegen, was du brauchst, ohne dafür zu bezahlen.«
    Vielleicht fand Nick das interessant. Daß George der einsamste Mann war, den er je getroffen hatte. George war einsam in seinem Gang, seiner Stimme, seiner Haltung und der Art, wie ein ganzer Raum, der Billardsalon mit seinen aufeinanderprallenden Geräuschen und hingeknallten Beleidigungen und kratzigen Lachern wie Georges Ecke des Raums anders war, auch wenn er mit irgend-wem Pool spielte. George hatte diesen Zustand bei sich, wo er auch hinging, und es schien ihm nichts auszumachen. Das war das Interessante. Vielleicht war es seine Entscheidung, so zu leben, vielleicht auch nicht, jedenfalls erweckte er den Eindruck, als wäre es in Ordnung.
    »Apropos Bier kaufen.«
    »Was denn?« sagte Nick.
    »Dieser Arschgeigenjob, den du da hast, wo du meiner Meinung nach besser in der Schule geblieben wärst.«
    »Was ist mit dem Arschgeigenjob?«
    »Ich hab mit einem geredet. Auf einem Laster kannst du mehr Geld machen. Kein Bier, sondern Limonade.

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