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Unterwelt

Unterwelt

Titel: Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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Lieferungen an Geschäfte und Supermärkte. 7-Up.«
    »Tut ja weh, das Zeug zu trinken.«
    »Es wird dir schon noch richtig weh tun, wart's nur ab. Du lädst die Kisten mit den vollen Flaschen ab und die leeren wieder ein. Macht 'n Mann aus dir.«
    »Wie macht das 'n Mann aus mir?«
    »Viehische Arbeit, ganz einfach. Im Sommer gehst du praktisch ein. Einen Sommer hab ich das mal gemacht. Ich konnt's nicht fassen, Teufel auch. Die ersten zwei Tage hab ich zwanzig Pfund abgenommen.«
    Nick fand es nicht nötig, einen Job fürs Leben zu haben und eine Familie zu gründen und in einem Haus zu leben, wo jeden Abend um sechs das Essen auf dem Tisch stand, und er dachte über George nach, einen älteren Burschen, der den Verlust dieser Dinge überlebt hatte – nicht den Verlust, sondern das Nie-Gehabt-Haben. Karten gespielt, Pool gespielt, Sex gekriegt, paar Dollars in der Tasche, nicht viel Zeit zum Nachdenken. Leckt mich, ich sterb alleine. Das sagte George, tief drinnen.
    »Anständig bezahlt?«
    »Besser als du jetzt. Regelmäßiger. Sicherer, nur daß du dir in der ersten Woche viermal einen Bruch hebst. Und im Sommer einen Hitzschlag holst. Macht 'n Mann aus dir, Nicky.«
    »Ich bin dir dankbar.«
    »Brauchste nich sagen. Vielleicht nehmen sie dich, vielleicht 'n andern.«
    »Sollst du aber wissen. Ich bin dir dankbar.«
    »Die gucken dich einmal an. Ach komm, der Knabe denkt bloß dran, wie er was fürs Bett kriegt. Holen wir uns lieber irgendwo n Polacken.«
    Das gefiel Nick. Sie spielten noch ein bißchen Karten, und er merkte, daß George ihn seltsam anschaute, irgendwie abtaxierte. »Du denkst, ich hätte Gummis hier in der Schublade?«
    »Keine Ahnung.«
    »Willst du sehen, was ich hier drin habe?«
    »Keine Ahnung, George. Klar, warum nicht?«
    »Nein. Ich glaube nicht, daß du sehen willst, was ich hier drin habe.«
    »Klar, warum nicht?«
    »Nein. Großer Fehler. Nachher redest du.«
    »Ich rede nicht. Wem soll ich's denn erzählen?«
    Na schön. George spielte ein bißchen mit ihm, nicht daß er dabei anders ausgeschaut hätte. Wund, kaputt, müde, Stirnglatze und lange, nikotinfleckige Finger.
    »Weil ich dir traue, Nicky.«
    Er griff in die Schublade und holte eine Schachtel Haushaltsstreichhölzer und einen Löffel heraus.
    »Die hießen bei uns früher Luzifers, diese Streichhölzer.«
    Es war ein gewöhnlicher Löffel, am Boden der Wölbung getrübt, fleckig wie Georges Finger, nur dunkler und marmoriert.
    »Ich gucke zu«, sagte Nick.
    »Interessiert's dich?«
    »Interessiert mich«, sagte er.
    George griff in die Schublade und kam mit einem medizinisch aussehenden Stück Gummiband hervor, irgend etwas zum Festschnallen. Er warf es zu den Streichhölzern und schaute Nick an.
    »Ich gucke immer noch zu.«
    »Du guckst zu?«
    »Ich gucke zu.«
    George griff hinein und holte eine subkutane Kanüle heraus, eine Kanüle und eine staubige Spritze, und er hielt sie Nicky unter die Nase. »Du guckst zu? Dann guck mal.«
    Nick brauchte eine Minute, um all das zu begreifen. Das war ihm neu. Drogen. Wer nahm hier schon Drogen? Er kam sich dumm vor und verwirrt und plötzlich sehr jung.
    »Du nimmst dieses Zeug?«
    George holte einen Faltbeutel aus der Brusttasche. Er wedelte ein paarmal damit und steckte ihn wieder ein. »Eroina«, sagte er.
    Nick kam sich wirklich dumm vor. Als hätte ihm grade jemand in einer Seitenstraße eins mit dem Sandsack übergezogen. Wumms. Beinah hätte er sich in den Nacken gefaßt.
    »Laß mal sehen«, sagte er.
    George nahm den Beutel heraus und gab ihn Nick. Der hob die Lasche und versuchte, an dem Pulver zu riechen. »Was gibt's da zu riechen? Das riecht nicht.« Er gab es zurück. »Warum?«
    »Was, warum?«
    »Du dieses Zeug nimmst.«
    George rollte den linken Ärmel hoch. Einstichmale und Narben und in der Armbeuge eine dunkle Masse, ein Geschwür aus geplatzten Blutgefäßen und allgemeiner Verheerung.
    Dann schwang er die Spritze, es machte ihm Spaß.
    »Du hast mich gefragt, ob ich meinen Freunden öfter was besorge. Was soll ich denn besorgen?«
    »Hey. Bleib mir weg damit.«
    »Mit dir fangen wir ganz langsam an. Nur unter die Haut. Wir treffen keine Ader.«
    »Ich hab Schiß vor Spritzen, George. Tu dieses Ding weg.«
    »Du drückst hier auf den Kolben, siehst du.«
    »So was brauche ich nicht.«
    »Na komm. Wir binden dich ab.«
    George schwang das Gummiband, und Nick spürte, daß er aufstehen und auf Abstand gehen mußte. Dem älteren Mann gefiel das.
    »Warum?«

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