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Unterwelt

Unterwelt

Titel: Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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warum ich Old Golds rauche? Das würde ich nicht jedem verraten.«
    »Blödsinn. Warum?«
    »Das ist die Zigarettenmarke, die früher die Dodgers im Radio gesponsert hat. Old Gold. Wir sind Tabakmänner, keine Medizinmänner, das war der Slogan. Die Dodgers waren meine Mannschaft. Waren. Sind's nicht mehr.«
    »Das ist aber ein großes, besonderes Geheimnis, das du mir da verrätst.«
    »Allerdings. Jetzt mußt du mir eins von dir erzählen. Egal, ob ein großes oder ein kleines.«
    »Wie heißt du?«
    »Nick.«
    »Nick, du kannst nicht mehr herkommen. Absolut viel zu verrückt. Nie mehr, okay? Wir haben es gemacht, und jetzt müssen wir damit aufhören.«
    »Wir können es doch woanders machen«, sagte er.
    »Nirgendwo anders. Nein. Glaub ich nicht.«
    Vom Körper mal abgesehen. Aus solcher Nähe hat er sich das Gesicht einer Frau noch nie angeschaut. Daß er glaubt, er weiß, wer sie ist, nur von ihrem Gesicht, was sie ißt und wie sie schläft, von dem abirrenden Lächeln und dem ungekämmten Haar, dem Haar über dem rechten Auge, und daß ihr Gesicht zu allem wird, was sie ist, das er nicht in Worte fassen kann.
    »Nick Shay«, sagte er, mit einer kleinen Spitze, einem Hauch von Rachsucht, denn sie wußte natürlich von dem Schachunterricht und würde Mattys Familiennamen erkennen und begreifen, daß Nick der ältere Bruder war, und sie würde die dichtgewobene Gefahr der ganzen Sache spüren.
    Aber es schien ihr scheißegal zu sein. So wie es ihm scheißegal war, daß sie die Frau von einem war, den er kannte, so war es ihr egal, daß er der Bruder von einem war.
    »Dann sollte ich wohl mal«, sagte er.
    »Ja, ich glaube, es wird Zeit.«
    Er nahm seine Hose und zog sich an und ließ sie nackt auf der Matratze sitzen, irgendwie schief auf eine Seite gelehnt, mit geschlossenen, angezogenen Beinen, mit der Hand, die die Zigarette hielt, wedelte sie den Rauch von ihrem Gesicht weg, und er dachte nicht daran, sich umzusehen.

[Menü]
7
    R osemary saß in dem Anwaltsbüro über der Bäckerei und räumte Akten in einen alten Schrank, als ihr Chef hereinkam, Mr Imperato, zurück von einem seiner seltenen Vormittage beim Strafgericht. Er war ein watschelnder Mann, ein gewiefter Witzeerzähler, der an der Aufgabe eines Witzes wuchs. Er war kahlköpfig, plattfüßig und nachlässig gekleidet, und manchmal war er vergeßlich bei der Arbeit, aber wenn es einen Witz zu erzählen gab, hörte er Sphärenklänge. Er vermasselte nie eine Pointe oder versäumte eine Pause. Er machte Stimmen und Akzente nach, Männer, Frauen, sprechende Vögel, zuverlässig, die Augen voller Behendigkeit. »Riechen Sie mal das Brot«, sagte er.
    »Das kommt davon, wenn man über einer Bäckerei sitzt. Ich kaufe ständig Brot. Meine Jungs kommen gar nicht mehr nach.«
    »Was haben Sie gekauft?«
    »Das ist fürs Abendessen.«
    »Zeigen Sie mal. Ist es rund oder lang?«
    »Letztes Mal, wissen Sie noch, was Sie da mit meinem Brot gemacht haben. Das ist fürs Abendessen. Weg mit Ihnen.«
    Vor vier oder fünf Jahren hatte Mr Imperato in ihrem Auftrag einen Privatdetektiv engagiert, um Jimmy zu finden. Das größte Geheimnis ihres Lebens, von dem keiner wußte, nur der Anwalt und der Detektiv. Als bei der Sache nichts herauskam, bezahlte Mr Imperato den Mann selbst und sagte ihr, sie könne ein bißchen Büroarbeit machen, um es ihm zurückzuzahlen. Seitdem arbeitete sie hier, und er zog das Detektivhonorar nie von ihrem Gehalt ab, weil er jemanden brauchte, wie er sagte, der sich seine Witze anhörte.
    »Ich kaufe uns einen größeren Ventilator.«
    »Ich glaube, den brauchen wir«, sagte sie.
    »Ich hab mir einen für zu Hause besorgt. Manchmal sitzen die Kinder davor. Der Fernseher ist beim Pfandleiher. Ich sag zu Anna. Sie gucken Ventilator.«
    »Ich will kein Fernsehen im Haus haben.«
    »Das müssen Sie aber«, sagte er.
    »Ich will es nicht.«
    »Die Kinder wollen es.«
    »Matty will es. Er geht nach oben zu den Nachbarn und schaut sich Ringkämpfe an.«
    »Ich versäume keinen Ringkampf, wenn's geht. Sie müssen es haben. Die Kinder müssen es haben. Fernsehen ist einfach etwas, das man haben muß.«
    Als sie mit ihrem Brot nach Hause ging, stieg sie höher als bis zu ihrem Stockwerk, stieg die ausgetretenen Stufen hoch, sah Wäsche draußen vor den schmierigen Fenstern des Treppenhauses hängen, denn sie wollte etwas mit Mrs Graziani im obersten Stock besprechen.
    Carmela stellte einen Kaffeekuchen hin und machte Kaffee, und sie setzten sich in

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