Unterwelt
Jersey hinüber.
Er suchte nach der 46 Richtung Westen. Er hatte sich die Wegbeschreibung notiert, die der Mann am Telefon heruntergeleiert hatte. Er hatte ihm die Straßen und Wege so automatisch heruntergeleiert, daß Brian klar wurde, viele Pilger machten die Reise über den Fluß.
Die Wegbeschreibung stand auf Hotelbriefpapier, und das Blatt lag auf dem Beifahrersitz, ein blitzschneller Blick alle zehn Sekunden. Nach einer Meile auf der 46 Richtung Westen entdeckte er die Exxon-Tankstelle und fädelte sich auf die 63 Richtung Süden ein, auf dem Dreimeilenstück bis zum Point Diner gab er Gas. Dann bog er aus dem Geheul des hochmotivierten Verkehrs links ab in ein Wohnviertel, endlich fing er an, sich zu entspannen, als er auf den Kreisverkehr am Kennedy Drive zusteuerte, noch ein toter Präsident.
Und eine Seitenstraße hinunter bis zu einem alten Holzhaus. Marvin Lundy öffnete die Tür, ein gebückter Bursche mit aufgesetztem Schlurfen, Ende Sechzig, in der Hand eine erloschene Zigarre. Brian fand, er sah aus wie ein pensionierter Fernsehkomiker, der das letzte Gespräch, das er noch an sich reißt, nicht um eine Minute überleben wird. Er folgte dem Mann durch zwei Zimmer, die in Aquariumtrübnis getaucht waren. Dann gingen sie in den Keller, einen großen ausgebauten Raum, der Marvin Lundys Sammlung von Baseball-Memorabilien enthielt.
»Meine verstorbene Frau würde uns jetzt Tee mit Krapfen servieren, frischgebacken, alles andere wäre gleich.«
Überall standen geschmackvoll ausgestellte Objekte. An den Wänden drapierte Flanellhemden, Mützen mit Souvenirstickern auf den Schirmen, eingerahmte Zeitungsseiten. Brian machte ehrerbietig die Runde, schaute sich signierte Schläger an, die in spezialangefertigen Wandhalterungen hingen, wunderschön gemaserte Schläger von ganz bestimmten Spielen, einige mit Kiefernharz auf dem sich verjüngenden Ende. Es gab Stadionsitze, beschildert wie seltene botanische Exemplare – Ebbets Field, Shibe Park, Griffith Stadium. Beinah hätte er einen alten Fanghandschuh berührt, der auf einem Piedestal thronte, das Objekt selbst gelb verschrammt, von Spikes verkratzt und sonnengebraten und patriarchalisch, aber er konnte sich gerade noch zurückhalten. Er schaute sich signierte Basebälle in Plexiglaskugeln an. Er beugte sich über Ausstellungskästen mit Sammelkarten aus Zigarettenschachteln, Schnipseln von Eintrittskarten, unterschriebenen Verträgen von berühmten Spielern, mit einem Baseball-Brettspiel aus dem 19. Jahrhundert, Kaugummipapieren, auf denen rosige Varianten von Männern aus Brians Jugend abgebildet waren, ihre Namen eine Art Gedicht, das über die Jahrzehnte dahintrieb.
»Auf die Krapfen kämen dann eingemachte Erdbeeren, die, ach vergiß es, alles Leben seit der Renaissance war kalter Kaffee im Vergleich dazu.«
Nichts davon war eine wirkliche Überraschung. Es war interessant, in gewisser Weise sogar rührend, aber nicht großartig oder denkwürdig. Einen Hauch Wundersames, eine exotische und unerreichte Marotte stellte das große Objekt an der hinteren Wand dar, der Nachbau der alten Anzeigetafel von den Polo Grounds und der Fassade des Clubhauses. Er nahm einen Raum von etwa sechseinhalb Metern Länge und dreieinhalb Metern Höhe ein, vom Boden bis zur Decke, und inklusive Chesterfield-Schild mit Slogan, der Longines-Uhr, einer Nachbildung der Fenster und der Brüstung des Clubhauses und zu guter Letzt einer von Hand bedienten Anzeigetafel mit dem Inning für Inning gezählten Spielstand des berühmten Play-off-Spiels von 1951.
»Die wurden dann heiß gegessen. Darauf achtete sie strengstens, Eleanor, kein Rumgetrödel, denn lauwarm geht das ganze Geschmackserlebnis flöten.«
Brian stand bei der Anzeigetafel und schaute zu Marvin, ob er sie anfassen durfte.
»Ich hatte einen Zeichner, einen Schreiner, einen Elektriker und einen Schildermaler, keinen Anstreicher, die sind mir zu launisch. Denen habe ich Fotos gezeigt, und sie nahmen Maß und machten Skizzen, damit die Proportionen und die Farben stimmten. Das H und das E leuchten auf, H für Hit, E für Error. Wo wohnen Sie?«
»Phoenix.«
»Nie da gewesen.«
In dem helleren Licht hier unten konnte er erkennen, daß Marvin Lundys Haar ein aschebrauner Flatschen Synthetikgewebe war, glatt nach vorn gekämmt, und Brian mußte an Las Vegas denken, Ringe am kleinen Finger und Prostatakrebs.
Er sagte zu Marvin: »Ich bin im Mittleren Westen aufgewachsen. Cleveland Indians, das war meine
Weitere Kostenlose Bücher