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Unterwelt

Unterwelt

Titel: Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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sich gut deshalb, kontrolliert und diszipliniert und durch und durch sauber.
    Auf dem Platz vor dem Gericht war irgend etwas los. Sie parkte einen Block weiter und ging zu Fuß zurück, es war einer jener Tage, wenn die Sonne in den hohen Kiefern und die süße Brise einem an die Wäsche gehen. Auf einer abgesperrten Straße standen Autos aufgereiht, vier Reihen Oldtimer erstreckten sich zwei Häuserblocks weit an der Plaza entlang, und aus den Lautsprechern auf dem Rasen ertönte Rock 'n' Roll zum Tanzen.
    Sie hatte noch eine Viertelstunde Zeit und schlenderte zwischen den Autos umher, viele standen zum Vergnügen der Kenner mit offener Motorhaube da. Es war früh, noch vor elf, und nur ein Dutzend Leute war unterwegs. Sie sah einen rothaarigen Mann, der ihr vage bekannt vorkam, und beobachtete, wie er sich unter eine Motorhaube beugte, dann zurücktrat, um einen frisierten Buick mit schwarzem Lackchassis zu bewundern.
    Der Mann stand in gravitätischer Pose da, die hohle Hand und einen Ellbogen abgespreizt, und kurz darauf fiel ihr ein, daß er mit Nick bei Waste Containment zusammenarbeitete, und sein Name, das dauerte noch mal eine Weile, war Brian Glassic, Glassic wie Klassik, was wiederum gut zu diesen Autos paßte.
    Er erkannte sie und strahlte. Dann vollführte er einen kleinen Tanz, einen halben Block weit, den langsamsten aller engen Foxtrotts, direkt aus den Fünfzigern.
    Etwa zwei Stunden später trafen sie sich zum Lunch im Speisesaal eines alten Hotels ganz in der Nähe. Der Raum war eng und warm, und sie hielt sich das Glas mit Eiswasser ans Gesicht.
    Er sagte: »Sie sind hier?«
    »Zu einem Vorstellungsgespräch. Es gibt hier ein kleines Büro von Innenarchitekten, die alte Gebäude renovieren. Sie wollen eine Filiale in Phoenix eröffnen. Das wäre ich.«
    »Wie ist es gelaufen?«
    »Ganz gut, glaube ich.«
    »Haben Sie so was schon mal gemacht?«
    »Nicht genau dasselbe. Vor den Kindern habe ich eine kleine Immobilienfirma mitgeleitet. Und seit den Kindern habe ich ab und zu teilzeitgearbeitet.«
    »Ein eigenes Büro. Das ist so ein Traum von mir. Kurz vorm Mittagessen hereingeschlendert kommen. Wie ein Privatdetektiv. Verkatert, Stoppeln im Gesicht. Die Post durchschnippen. Und wieder hinschmeißen.«
    »Haben Sie Stoppeln?« fragte sie.
    »Früher oder später. Warum fragen Sie?«
    »Weiß nicht. Ich dachte vielleicht, je weicher und heller der Teint...«
    »Wir rasieren uns durchaus«, sagte er.
    »Ich glaube kaum, daß mein Büro an einen Privatdetektiv erinnern wird.«
    »Sie wollen Licht und Luft.«
    »Große dicke Entwürfe in festen Ordnern.«
    »Sie wollen maßstabsgetreue Modelle, mit Bäumen.«
    »Möglich.«
    »Und kleine freundliche Leute auf dem Bürgersteig.«
    »Multikulturell freundliche Leute.«
    »Bravo. Einen Drink?«
    »Warum nicht?« sagte sie.
    Brian bestellte bei einem alten Burschen, der wahrscheinlich die Zweitbesetzung des Portiers war. Sie sagte: »Und Sie sind hier?«
    »Wegen der Autos. Ich habe gestern abend etwas über die Ausstellung gelesen und Lust bekommen, wie ein Schuljunge.«
    »Und konnten nicht mal mehr bis zum Wochenende warten.«
    »Zu voll. Außerdem habe ich mir eh einen freien Tag verdient.«
    »Jetzt haben Sie auf Ihren Lunch warten müssen. Das tut mir leid. Ich dachte, Sie hätten eine geschäftliche Verabredung.«
    »Ich bin mit den Autos noch nicht durch. Da lohnt sich ein zweiter Blick. Und was gibt es Schöneres, als hier zu sitzen und darauf zu warten, daß uns jemand die Drinks bringt und die Klimaanlage repariert und etwas wegen der Polsterung der Sitzbänke unternimmt?«
    »Ach, das riecht so?« fragte sie.
    Natürlich rauchte sie. Kaum hatte sie den Drink bestellt, da wußte sie, daß die Fassade bröckeln würde. Es brauchte nicht viel, um sie zu demontieren. Sie würde alles rauchen, was sie dabeihatte, und noch mehr auftreiben. Er brachte sie ein paarmal zum Lachen und war selbst dann witzig, wenn er es nicht darauf anlegte. Wahrscheinlich hatte er früher als Haustier ein Kaninchen, dachte sie, aber sie war sich nicht sicher, warum ihr das so plausibel erschien.
    »Sie sind groß, stimmt's?«
    Er fragte das mißtrauisch, als hätte sie es verbergen wollen.
    »Nicht größer als Sie.«
    »Meine Frau ist klein. Kennen Sie sie?«
    »Ich bin nicht sicher.«
    »Sie möchte, daß ich sie nächsten Monat nach New York mitnehme. Ich muß etwas mit den Ingenieuren von der Fresh-Kills-Aufschüttung besprechen, das ist sozusagen der King Kong der

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