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Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: nanu
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einer Trittleiter stand, die er aus dem ersten Schrank geholt hatte, sagte er brüsk: »Schicken Sie den Jungen zurück in die Klasse. Ich brauche Ihre Hilfe.«
    Julian nickte und ging. Gemeinsam packten der Mann und ich Miss Ferrells zierlichen Körper und legten ihn auf den Boden. Ich konnte ihre grotesk erstarrte Grimasse nicht noch einmal ansehen.
    Der Lehrer bat mich, die Polizei zu rufen. Erwürgte leicht und hustete, dann bat er mich, eine Lehrkraft zu holen, die in seiner Klasse die Fragebögen einsammeln konnte. In je ­ ner Klasse, aus der er und Julian herbeigestürzt waren, als sie meine Schreie gehört hatten. Er würde bei der Leiche warten. Ich brauchte nicht erst Orden zu sehen, um zu er ­ kennen, dass er ein Kriegsveteran war. Sein ausdrucksloser Ton und der Schmerz in seinen Augen zeigten nur allzu deutlich, dass er dem Tod schon begegnet war.
    In der Küche gab es kein Telefon. In meinem Kopf häm ­ merte das Blut. Als der Luftzug der zufallenden Küchentür mich streifte, brach mir der kalte Schweiß aus. Aus dem Kor ­ ridor drang en t ferntes Stühlerücken und Füßescharren aus einigen Klassen zu mir. Die Uhr auf dem Flur stand auf fünf vor elf; die Prüfung war fast zu Ende. Mir wurde schwinde ­ lig. Sollte ich irgendeine Erklärung a b geben? Sollte ich die Schüler auffordern, zu bleiben? Ihnen sagen, dass die Poli ­ zei bald hier sei und alle befragen werde? Ich ging schnell zum Telefon in der Halle.
    Ich tippte die 911. In nannte meinen Namen, sagte, wo ich war und etwas in der Art wie: »Ich habe gerade eine Lei ­ che gefunden. Ich glaube, es ist Miss Suzanne Ferrell, eine Lehrerin der Schule.« In meinen Ohren brauste es, als be ­ fände ich mich in einem Win d kanal.
    »Sind Sie noch dran?« Die Stimme des Telefonisten klang u n endlich weit entfernt.
    »Ja, ja«, sagte ich.
    »Sorgen Sie dafür, dass niemand die Schule verlässt. Nie ­ mand. Ich benachrichtige die Polizei, dass sie umgehend ein paar Leute hinaufschicken.«
    Ich suchte verzweifelt in meinem benebelten Kopf nach Worten, während ich auflegte und in die Klasse stolperte, die für die Buc h staben P-Z reserviert war. Ich wies Julian knapp an, er solle seiner und den anderen Klassen sagen, dass sie nach dem Einsammeln ihrer Fragebögen noch war ­ ten müssten.
    »Wenn sie Fragen stellen, du weißt schon, weil sie mein Schreien gehört haben, sage ihnen … nichts weiter«, sagte ich u n schlüssig.
    Julian wandte sich mit angespannter Miene an seine Klasse. Ich war inzwischen am ganzen Körper schweißge ­ badet. Das Hämmern in meinem Kopf wurde zur Qual. Im Zeitlupentempo ging ich zurück zur Küchentür.
    »Die Polizei ist unterwegs«, sagte ich dem grauhaarigen Mann. Er hatte sich auf einem Knie neben der Leiche po ­ stiert. Eine weiße Serviette verhüllte Miss Ferrells Gesicht. Der Lehrer nahm meine Erklärung mit einem grimmigen Kopfnicken entgegen, sagte aber nichts.
    Es war bedrückend in der Küche. Ich konnte nicht ne ­ ben Suzanne Ferrells Leiche bleiben. Wie betäubt ging ich wieder ins Foyer. In der Tasche mit meinen Utensilien fand ich Papier und Stift, um Schilder für die Türen zu schrei ­ ben. Ich hatte Schwieri g keiten, den Stift zu halten. Mit zitt ­ riger Hand schrieb ich: Verlassen Sie das Schulgebäude nicht, bis die Polizei es erlaubt. Der Raum wirkte wie die verlassene Kulisse für einen surrealistischen au s ländischen Film: Was war mit all dem Abfall, woher kamen diese Obststückchen, warum standen meine Kästen auf den Tischen? Ich suchte Halt an einer Tischkante.
    Die Erinnerung stieg wieder in mir auf, entsetzlich, furchtbar. Ich sah meine Hand die Schranktür öffnen, sah eine stark schaukelnde Leiche in einem leuchtend orange- und pinkfarbenen Kleid, sah ein grotesk rot angelaufenes Gesicht, das keinerlei Äh n lichkeit mit der munteren Fran ­ zösischlehrerin hatte. Unter der B e rührung meiner Finger hatte sich die dunkel angelaufene Haut weißlich verfärbt. Ihre Leiche war aufgeknüpft wie die Schlange in Archs Spind. Ich kniff die Augen zu.
    Die Polizei traf mit heulenden Sirenen ein. Ich schaute auf meine Uhr: viertel vor zwölf. Durch die Fenster des Foy ­ ers sah ich, dass es Millionen Schneeflocken vom Himmel rieselte. Ein äußerst schmallippiger Tom Schulz kam mit großen Schritten herein. Er war überaus sachlich, während seine Kollegen von der Mor d kommission geschäftig um ihn herumliefen, Anweisungen en t gegennahmen und sich an die aufreibende

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