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Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: nanu
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norma ­ lerweise an dem Ding ist.«
    Oh, erspar’ mit das. Zum hundertstenmal, seit ich die Lei ­ che von Keith Andrews im Schnee gefunden hatte, schob ich den Gedanken an das dunkle Kabel von mir, das um sei ­ nen Körper geschlungen war. »Julian sag’ nie wieder das Wort Verlängerungskabel in meiner Gegenwart. Bitte?«
    Er sah mich verständnislos an und begriff dann plötzlich. Er und Neil brachten die Kaffeetassen auf Tabletts hinaus. Als die Schüsseln und Platten aufgedeckt wurden, kamen nach und nach Schüler zu mir und fragten, ob sie jetzt es ­ sen dürften, wohin sie gehen sollten und ob die Klassen ­ räume gekennzeichnet seien.
    Verzweifelt wandte ich mich an Julian. »Ich muss mich um das Essen kümmern. Würdest du bitte einen Lehrer oder sonst jemanden auftreiben, der sich um diese Horde kümmert?«
    Er seufzte. »Irgend jemand hat gesagt, Miss Ferrell ist Stifte holen gegangen.« Ehe wir uns darüber weitere Ge ­ danken machen konnten, tauchten zum Glück ein paar Lehrer auf, die die Aufsicht führten. Die Schüler könnten noch zwanzig Minuten frühstücken, verkündeten sie. Anschließend sollten sie nach alphabetischer Reihenfolge auf verschiedene Klassenräume verteilt werden. Die Ju ­ gendlichen drängten sich um die Büfettische und riefen einander Ermutigungen und Vokabeln zu, während sie mit Muffins, Doughnuts, Plätzchen, Schälchen mit Obst und Joghurt und Kaffe e tassen jonglierten. Ich war so mit dem Nachfüllen der Platten b e schäftigt, dass ich keine Gelegen ­ heit hatte, noch einmal mit Julian zu sprechen, bis er schon fast in dem für die Buchstaben P-Z reservierten Klassen ­ raum verschwand.
    »Wie fühlst du dich?«
    »Okay.« Doch sein Lächeln war halbherzig. Er klemmte die Hände unter die Achselhöhlen. »Weißt du, es ist ko ­ misch mit dem Stipendium. Jemand – jemand außer dir – macht sich etwas aus mir. Vielleicht ein ehemaliger Schüler, vielleicht die Eltern eines anderen Schülers. Nicht zu wis ­ sen, wer es getan hat, ist irgendwie Klasse. Ich habe ständig darauf gewartet, dass Ferrell oder Perkins sagen: Also, du musst dies tun, du musst das tun. Aber nichts ist passiert. Des ­ halb denke ich jetzt, dass es nicht mehr so wichtig ist, wie gut ich bei den Prüfungen abschneide. Sie sind nicht mehr so entscheidend. Und das macht mir ein gutes Gefühl. Es geht mir gut.«
    Ich sagte: »Großartig« und meinte es auch so.
    Egon Schlichtmaier kam mit modisch zerzaustem Haar und den Händen in den Taschen seines Schaffellmantels herbei und scheuchte Julian in die Klasse. Ich ging zurück, um aufzuräumen. Das Foyer war leer bis auf einen einsa ­ men Schüler. Macguire Perkins starrte finster auf die Überreste der Mordsmüslikekse.
    »Macguire! Sie müssen zu Ihrer Prüfung. Sie fängt in fünf Minuten an.«
    »Ich habe Hunger.« Er sah mich nicht an. »Ich bin nor ­ malerweise nicht so früh auf. Aber ich kann mich nicht ent ­ scheiden, was ich nehmen soll.«
    »Hier«, sagte ich und griff schnell nach ein paar Keksen, »nehmen Sie sie mit in die Klasse. Gehen Sie Schlichtmaier nach den Gang hinunter.«
    Ohne mich anzusehen, stopfte Macguire die Plätzchen in den Beutel seines sackigen Sweatshirts. »Danke«, mur ­ melte er. »Vielleicht machen sie mich schlau. Letztes Jahr hatte ich keine und bekam insgesamt nur 820 Punkte.«
    »Ach, Macguire«, sagte ich ernst, »machen Sie sich keine Sorgen …« Sein elendes, pickeliges Gesicht verfiel sichtlich. »Sehen Sie, Macguire, es wird alles gut gehen. Kommen Sie.« Ich schoss hinter dem langen Tisch hervor. »Ich bringe Sie in Ihre Klasse.«
    Er zuckte vor meinem Versuch zurück, seinen Arm zu nehmen, schlich aber ohne Protest neben mir her zu dem Klassenraum, dessen Tür Egon Schlichtmaier gerade ge ­ schlossen hatte. Ich warf einen verstohlenen Blick auf Mac ­ guire. Der Junge zitterte.
    »Kommen Sie!« mahnte ich. »Stellen Sie sich vor, es wäre ein Basketballtraining. Machen Sie es ein paar Stunden, und hoffen Sie das Beste.«
    Er sah auf mich herunter, endlich. Seine Pupillen waren vor Angst geweitet. Schwerfällig sagte er: »Ich fühl’ mich beschissen.« Und ohne auf eine Antwort zu warten, öffnete er die Tür zum Klassenzimmer und schlüpfte hinein.
    Den ganzen Weg zurück zum Foyer schimpfte ich mit mir selbst; ich hob fallen gelassene Servietten und Pappbecher auf, räumte Schälchen und Plastiklöffel fort und deckte die restlichen Muffins, die Brötchen und das Obst ab. Überall waren

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