Untitled
ausgehungert war. Julian kam heraus, schüt telte sich Tropfen aus dem Haar, und schweigend fuhren wir zu Marias Haus auf dem Gelände des Country Clubs.
Maria begrüßte uns mit einem glücklichen Kreischen. Ihr Bein steckte in einem dicken Gipsverband, auf dem bereits zahlreiche bunte Aufschriften prangten.
»Ich dachte mir schon, dass du mitkommen würdest«, sagte sie zu Julian, »ich habe dir zu unseren Cheeseburgern ein überbackenes Gruyere-Sandwich bestellt. Es gibt außer dem noch mit Jalapeno geröstete Zwiebeln und Rotkohl salat«, fügte sie hoffnungsvoll hinzu. Verlegen, so verwöhnt zu werden, zumal von jemandem mit Gipsbein, wurde Ju lian rot und murmelte einen Dank.
»Na, dann kommt.« Maria hopste vor. »Goldy hat mich seit einer Woche genervt, diese Frau zu finden«, erklärte sie Julian über die Schulter hinweg. »Du kennst sie vielleicht schon.«
Pamela Samuelson, eine ehemalige Lehrerin an der Elk- Park-Schule, saß auf der Kante einer matt blaugrün ge streiften Couch in Marias Wohnzimmer. Ein großzügiges Feuer loderte in einem mit leuchtend grünen und weißen italienischen Kacheln eingefassten Kamin.
»Ach, Miss Samuelson«, sagte Julian überrascht. »Ameri kanische Geschichte, elfte Klasse.«
»Hallo, Julian.« Pamelas Haar hatte Aussehen und Form eines viel benutzten Topfkratzers, und in ihren dicken Bril lengläsern spiegelte sich das Feuer. Sie war um die Fünfzig und ein wenig teigig, obwohl Maria sie als eine der »Stamm kundinnen« des Sportclubs vorstellte. »Ja«, sagte sie mit leicht ironischem Unterton, »amerikanische Geschichte, elfte Klasse.«
»Pam verkauft jetzt Immobilien«, warf Maria mit auf richtigem Mitgefühl ein. Maria war nicht gerade ein Freund von Immobilie n maklern. »Man hat sie da draußen an die ser Schule ganz schön in die Pfanne gehauen.«
»In die Pfanne gehauen?« fragte ich.
Pamela Samuelson verknotete ihre plumpen Finger und löste sie wieder. Sie sagte: »Man wäscht ja nicht gerne in der Öffentlichkeit schmutzige Wäsche. Aber als ich das von Su zanne hörte und Maria mich anrief …«
»Sie haben es schon erfahren?« rief ich aus. Wieso über raschte mich das? Meine Jahre in Aspen Meadow hatten mich doch die schreckliche Leistungsfähigkeit der örtli chen Gerüchteküche fürchten gelehrt.
»Ach ja«, sagte Pamela. Sie strich sich über ihr drahtiges Haar. »Die Herbstprüfungen. Am ersten Samstag im No vember.«
Ich warf einen verstohlenen Blick zu Julian hinüber. Er zuckte die Achseln. Ich sagte: »Bitte, können Sie mir mehr über die Schule erzählen? Ich sage es nur ungern, aber … die schmutzige Wäsche könnte uns helfen, ein paar Dinge zu klären.«
»Nun ja. Das habe ich Maria auch schon gesagt. Ich weiß nicht, ob es wichtig ist.« Sie schwieg und sah auf ihre Hände.
»Bitte«, sagte ich wieder.
Sie schwieg weiter. Julian stand auf und legte ein Scheit aufs Feuer. Maria betrachtete eingehend ihr Gipsbein, das sie auf eine grünweiße Ottomane gebettet hatte. Ich hörte meinen Magen knurren.
»Ehe ich entlassen wurde«, sagte Pamela schließlich, »ließ ich eine Arbeit in amerikanischer Geschichte schreiben. Die Aufgabe hieß: Erörtern Sie die amerikanische Außen politik vom Bürgerkrieg bis heute.« Hinter den dicken Bril lengläsern verengten sich ihre Augen. »Es war eine Frage, die ich selbst in der Schule in Geschichte hatte bearbeiten müssen. Doch mehrere Schüler der Elk-Park-Schule be schwerten sich. Nicht bei mir, wohlgemerkt«, sagte sie ver bittert, »bei Direktor Perkins. Perkins machte mir die Hölle heiß, meinte, eine so anspruchsvolle Frage hätte er erst in Arbeiten an der Hochschule beantworten müssen.«
Ich grunzte: »Ach, nein.«
»Ich sagte: ›Auf welcher Hochschule waren Sie denn, auf der Universität der südlichen Sandwich-Inseln?‹ Und das war noch nicht das Schlimmste«, fuhr sie säuerlich fort. »Es war Fußbal l saison, wissen Sie. Am Wochenende vor den Prü fungen schlug Brad Marensky sich hervorragend als Tor wart unten in Colorado Springs. Aber er hatte nicht für seine Geschichtsprüfung gelernt und ließ in seiner Arbeit zu dieser Frage leider beide Weltkriege aus.«
Julian sagte: »Schade.«
Pamela Samuelson fuhr mit plötzlich wutverzerrter Miene zu Julian herum. »Schade? Schade?« schrie sie. Als Julian erschrocken zurückwich, zwang sie sich offensicht lich zur Ruhe. »Also. Ich ließ ihn durchfallen. Glatt
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