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Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: nanu
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ruf offenbar weniger wichtig war als die Konferenz ­ schaltung von vorhin; er legte die Hand auf die Sprech ­ muschel und winkte mich zu einem Tischchen hinüber, das beladen war mit einem Tablett voller Gebäck und einer sil ­ bernen elektrischen Kaffeemaschine.
    Es musste am frühen Morgen eine Kuratoriumssitzung stat t gefunden haben, dachte ich, wegen all der Moh ­ renköpfe, Miniatu r käsekuchen, Schokoriegel und glasier ­ ten Napfkuchen auf dem Tablett. Ich schenkte mir eine Tasse Kaffee ein, verzichtete allerdings auf die Süßigkeiten. Wie kam es, dass Perkins mich nicht mit der Bewirtung die ­ ser morgendlichen Sitzung beauftragt hatte? Reservierte er für mich leichte Aufgaben, wie in aller Herrgott s frühe auf ­ zustehen, um für unzählige Schüler gesunde Häppchen zu machen? Oder hatte er Angst, ich könnte hören, wie er den großen Gönnern den Mord an Suzanne Ferrell darlegte?
    »Ja«, sagte er jetzt ins Telefon. »Ja, sehr tragisch, aber wir müssen weitermachen. Es bleibt bei neunzehn Uhr. Ja, über Stres s reduzierung bei Prüfungen. Ach, nein. Ich über ­ nehme die Studie n beratung selbst.« Er schniefte tief und resigniert. »Dieselbe Part y lieferantin, ja.« Doch ehe er wie ­ der »ta-ta« sagen konnte, hatte der Gesprächspartner am anderen Ende aufgelegt.
    »Tattered Cover«, erklärte er mir und schüttelte seine Andy-Warhol-Mähne. Er sah sich auf dem Schreibtisch um, auf dem Papiere verstreut lagen und ein riesiger Korb fri ­ scher Blumen stand. Jemand dachte offenbar, er brauche Mitgefühl, da eine seiner Lehrerinnen ermordet worden war. Unter seinen Augen hingen graue Säcke faltiger Haut. Er trug ein marineblaues Sportsakko statt seines üblichen »Wiedersehen-in-Brideshead«-Tweed, und plöt z lich fiel mir auf, dass er nicht einen einzigen Vergleich benutzt hatte, seit ich in sein Büro gekommen war.
    »Geht es Ihnen gut, Direktor Perkins?«
    Er sah mich mit unendlich traurigen Augen an. »Nein, Mrs. Bear, es geht mir nicht gut.«
    Er schwenkte seinen Drehstuhl herum, bis er das Gemälde von Big Ben im Blick hatte. »George Albert Tur ­ ner«, sagte er g e dankenverloren. »Urenkel von Joseph Mal ­ lord William Turner. Nicht gerade ›Der Brand der Houses of Parliament‹,  nicht?« Als er sich wieder mir zuwandte, fiel ein blasser Sonnenstrahl, der von draußen hereinschien, auf die kleinen Äderchen, die sein Gesicht durchzogen. Mit trauriger Stimme erklärte er: »Und ebenso weit bin auch ich vom Eigentlichen entfernt.«
    »Eh, da komme ich nicht ganz mit.«
    »Die Reinheit des Strebens, mein Gott, Mrs. Bear! Die Reinheit der Kunst, die Reinheit der Forschung … all das«, Perkins rieb sich mit beiden Händen die Stirn, »hat nichts mit alle dem hier zu tun« - er deutete auf den eleganten Raum.
    »Mr. Perkins, ich weiß, Sie sind etwas aus dem Gleichge ­ wicht gebracht. Ich kann ein andermal mit Ihnen über Ju ­ lian sprechen. Sie hatten offenbar eine Sitzung …«
    »Sitzung? Was für eine Sitzung?« Ein raues Lachen brach aus seiner Kehle, »Die einzigen Menschen, die ich zur Zeit treffe, sind Polizisten.«
    »Aber« – ich deutete auf die Kaffeemaschine und die Tel ­ ler mit Gebäck-, »ich dachte …«
    Wieder dieser traurige, ironische Blick und die verzwei ­ felte Stimme. »Zwischenzeugnisse, Mrs. Bear! Die Blumen sind ein Geschenk! Die Besitzer des Blumengeschäftes möchten, dass ihr Sohn nach Brown geht, wenn er im näch ­ sten Jahr mit der Schule fertig ist. Sie möchten, dass ich die Empfehlung schreibe, nachdem ich die Französischnote des Jungen von einem Befriedigend in ein Sehr gut geändert habe. Miss Ferrell wollte nicht, verstehen Sie.« Ich starrte den Direktor ungläubig an. Verlor er den Verstand? Er plap ­ perte weiter. »Das Gebäck ist ebenfalls geschenkt. Einer meiner Lehrer hat einen neuen Pelzmantel. Er hat mich ge ­ fragt, ob er ihn annehmen darf, weil er mehr gekostet hat als seine ganze Garderobe zusammengenommen. Er schwört, die Spender hätten ihn nicht gebeten, eine Note zu ändern. Ich habe ihm gesagt: ›Nein, noch nicht.‹«
    »Aber diese Leute, die wollten, dass Miss Ferrell das … für sie tut, könnten sie …«
    Er schüttelte den Kopf. »Sie sind in Martinique. Mit ihrem Sohn. Sehen Sie, sie fahren jedes Jahr Ende Oktober, und der Junge ve r passt einiges in der Schule.« Er sah mich mit gerunzelter Stirn an. »Sie wollen, dass ich ihm Punkte gut ­ schreibe, weil er nach Martinique fährt! Sie sagen, er spricht

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