Untitled
fertigen Platten für neun Es sen am Donnerstag früh ausliefern und nur bei einem Auf trag selbst servieren. John Richard nahm gewöhnlich Arch an diesem Wochenende mit zum Skifahren, und ich ver diente in diesen vier Tagen genug, um Arch und mich über die spärliche Auftragslage im Frühjahr hinwegzubringen. Nicht nur das, ich hatte gelernt, dass Kunden, die über die ses Wochenende Verwandte zu Besuch hatten, mindestens eine Woche lang kein Truthahn-Tetrazzini, keine Tru t hahn-Enchiladas, keine Truthahnbrötchen und überhaupt kein G e flügel jedweder Art sehen mochten. Es war also eine hervorragende Gelegenheit, Fischrezepte zur Geltung zu bringen, die ich en t wickelt hatte. Die Kunden waren aus gehungert nach allem, das weder Bratensoße noch Preisel beerkompott enthielt.
Der Sturm tobte die ganze Woche. Von Tag zu Tag san ken die Temperaturen weiter, und eine Eisschicht legte sich über die dunklen Tiefen des Aspen Meadow Lake. Nach dem ich am Freitagmorgen meine Yogaübungen beendet hatte, machte ich mich gegen neun Uhr auf den Weg und wünschte, ich hätte sechs weitere Schichten über meinen Rollkragenpullover und meine abgetragene Daunenjacke gezogen. Die strenge Kälte und der Schnee hatten die Ge schäftsleute auf der Hauptstraße sogar bewogen, ihre Weih nachtsdekoration frühzeitig herauszuholen. Die digitale Temperaturanzeige an der Bank von Aspen Meadow war eine grimmige Mahnung, dass wir November in den Bergen hatten: minus acht Grad. Buckelige Eishöcker überzogen die Straße, der Schnee, den der Schneepflug aufgewirbelt hatte, war steinhart g e froren. Ich fuhr vorsichtig die Straße Richtung Elk-Park-Schule hinauf und überlegte, ob ich mit einem Partyservice auf Hawaii wohl einigermaßen unseren Lebensunterhalt bestreiten könnte.
Die verräterischen Scheinwerfer an der Seite, die riesi gen Spiegel und das fast bis auf den Boden reichende Chas sis ließen erkennen, dass der einzige Wagen, der außer mei nem auf dem Schulparkplatz stand, ein ziviler Streifenwa gen war. Weitere E r mittlungen im Ferrell-Mordfall? Vom Lehrerparkplatz her holte Egon Schlichtmaier mich ein, elegant in einer neuen, pelzbesetzten Bomberjacke, hielt eine der massiven Schultüren auf und verbeugte sich. Je mand hatte endlich das schwarze Kreppapier und Keiths Foto entfernt, fiel mir auf.
»Zu spät heute?« fragte ich.
»Ich habe erst um zehn Uhr Unterricht«, erwiderte er fröhlich. »Ich war beim Training, habe Sie aber nicht ge sehen.«
Ich sah ihn an und sagte: »Hübsche Jacke.« Er schlen derte davon.
Der Direktor sei mitten in einer Konferenzschaltung, könne mich aber gleich empfangen, teilte die Sekretärin mir mit. Ich ging den Flur hinunter, um nach Arch zu se hen – diesmal, ohne entdeckt zu werden. Zu meiner Über raschung stand er im Sozialkundeunte r richt vor der Klasse und trug etwas vor. Ehe ich mich davonschlich, um Julian zu finden, besah ich mir prüfend den Gesichtsausdruck sei ner Klassenkameraden. Alle hörten aufmerksam zu. Stolz ließ ein kleines Flämmchen in meiner Brust aufleuchten.
Vor einer der Klassen im oberen Stockwerk des alten Ho tels stand ein Polizist in Zivil Wache. Ich nickte ihm zu und stellte mich vor. Er antwortete nicht, doch als ich durch das Fenster in die Klasse sah, fragte er mich auch nicht nach meinem Personalau s weis. Egon Schlichtmaiers Geschichts stunde hatte gerade b e gonnen: Macguire Perkins stand vor der Klasse und hielt ein Referat. An der Tafel stand: DIE MONROE-DOKTRIN. Man musste leider sagen, dass Mac guire und die Rechtfertigung der Intervention in der ame rikanischen Hemisphäre nicht die gleiche Aufmerksamkeit erfuhren wie Archs Vortrag. Greer Dawson kämmte ihr Haar; Heather Coopersmith rechnete auf einem Taschen rechner; Julian sah aus, als sei er gefährlich nah am Ein schlafen. Einen kurzen Moment traf sich mein Blick mit dem von Macguire, und er winkte mir mit einer Hand ei nen Gruß zu. Ich wich erschrocken zurück. Das letzte, was ich brauchen konnte, war, dass Egon Schlichtmaier be hauptete, ich störe seinen Unterricht. Ich stahl mich zurück zum Büro des Direktors.
»Er hat jetzt Zeit für Sie«, flötete die Sekretärin, ohne von ihrem Computermonitor aufzusehen. Ich marschierte in das Büro und fragte mich kurz, woher sie wohl gewusst hatte, dass ich es war. Roch ich nach Küche?
Direktor Perkins telefonierte wieder einmal, obwohl die ser A n
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