Untitled
vorwurfsvoll, als ich durch die g e sicherte Haustür kam.
Das Haus stank nach Zigarettenrauch. Julians Atem roch nach Bier. Er sah furchtbar aus. Sein Gesicht war aschfahl, seine Augen blutunterlaufen. Sein ungewaschenes Haar mit dem Mohawk-Schnitt stand wie kleine Wigwams vom Kopf.
»Erzähl mir nicht, ihr hattet wieder Schwierigkeiten mit jemandem, der Steine wirft …« setzte ich, abrupt aus mei ner Idylle gerissen, an. Auf sein Kopfschütteln sagte ich: »Egal, wo ich war. Was ist hier los? Du rauchst nicht. Du bist Schwimmer, meine Güte! Und was ist mit der Bierfahne, Herr Minderjähriger?«
»Ich habe mir solche Sorgen gemacht!« brüllte Julian und stürmte mir voraus in die Küche.
Soviel zu meiner Hochstimmung. Was um Himmels Wil len ging hier vor? Wieso hatte Julian sich in diesen Zustand hinei n gesteigert? Ich kam ständig spät nach Hause, obwohl mir jetzt ve r spätet einfiel, dass Julian und Arch gewöhnlich in meinem Terminkalender nachsahen, wo ich jeweils abends einen Auftrag hatte. Vielleicht war Julian es einfach nicht gewohnt, nicht zu wissen, wo ich war. Andererseits machte er sich vielleicht auch über etwas anderes Sorgen. Bleib ruhig, sagte ich mir.
Ich folgte ihm in die Küche. »Wo ist Arch?« fragte ich mit leiser Stimme.
»Im Bett«, warf Julian über die Schulter zurück und öff nete den begehbaren Kühlschrank. Neben der Spüle stan den drei Bie r flaschen, leer, für den Glascontainer bereit. Drei Bier! Ich konnte ins Gefängnis kommen, weil ich ihm erlaubte, in meinem Haus zu trinken.
Shuriken lagen auf den Büchern über Studienbeihilfen verstreut, die sich auf dem bunt gemusterten Tischtuch sta pelten. Shuriken sind scharfkantige Metallsterne, die etwa die Größe des Han d tellers haben und sich in der Hand ver stecken lassen, wie ich schon vor einiger Zeit erfahren hatte. Ich hatte völlig unerwartet mit diesen Waffen Bekanntschaft gemacht, als ein Junge in Archs Grundschule mit ihnen er wischt worden war. Der Rektor hatte den Schülern ein ver vielfältigtes Schreiben über die Waffen mit nach Hause ge geben. Sie werden im Taekwondo eingesetzt und waren in der Schule verboten, weil sie, wie es in dem Brief hieß, großen Schaden anrichten können, wenn man sie wirft. Der Junge, der sie mit in die Furman-Grundschule gebracht hatte, war vorübergehend vom Unterricht ausgeschlossen worden. Ich sah Julian unverwandt an, schob alle Sterne zu sammen und legte sie in einem Stapel auf die Arbeitsplatte.
»Was geht hier vor?«
Julian tauchte aus dem Kühlschrank auf. Er hielt einen Teller mit Keksen in der Hand. In Zeiten starker Belastun gen muss man Süßes essen.
Er sagte: »Ich werde den Burschen umbringen, der Arch gedroht hat.« Bei diesen Worten schob er sich zwei Kekse in den Mund und kaute vernehmlich.
»Also wirklich. Wenn du auf das Bier jetzt Kekse isst, wirst du dich übergeben.«
Er knallte den Teller auf den Tisch. »Ist dir das alles egal? Ist dir eigentlich klar, dass er in dieser Schule nicht sicher ist?«
»Also, entschuldige mal, Mr. Mom. Doch, es ist mir klar. Mr. Perkins scheint es allerdings für einen Streich zu hal ten. Einen Siebtklässlerstreich.« Ich nahm einen Keks. »Aber Arch hat Schulz angerufen und ihm von der Schlange erzählt.«
Julian ließ seinen kräftigen Körper auf einen Küchen stuhl fallen; er fuhr sich mit einer Hand durch seine spär lichen Haarstoppeln. »Meinst du, wir könnten einen Leib wächter für Arch anheuern? Wie viel würde das wohl ko sten?«
Ich schluckte. »Julian. Du bist sehr fürsorglich und rei zend. Aber, du übertreibst. Ein Leibwächter ist keine Lö sung für Archs Probleme.«
»Du kennst diese Leute nicht! Das sind üble Burschen! Sie stehlen und betrügen! Sieh dir doch an, was sie mit Keith gemacht haben!«
»Welche Leute?«
Er kniff die Augen zu. »Du begreifst es einfach nicht. Du bist einfach … gleichgültig. Die Leute von der Elk-Park-Schule, diese Leute. Perkins redet immer von Vertrauen und Verantwortung. Zwei Jacken, eine Kassette und vierzig Dollar sind mir im letzten Jahr aus meinem Spind gestoh len worden. Vertrauen? Alles Mist.«
»Also gut. Sieh mal, Julian, bitte. Es ist mir nicht egal. Ich bin völlig deiner Meinung, dass es da ein Problem gibt. Ich weiß nur einfach nicht, was ich tun soll. Aber eines kann ich dir sagen, ein Leibwächter kommt nicht in Frage.«
Er öffnete die Augen und schimpfte: »Ich war bei der Zei
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