Untitled
Körperpeeling aus braunem Zucker gekauft habe.
Du warst wohl bei Fresh! Senta wiegt die schöne Dose in der Hand. Toll: vierhundert Gramm!
Ich bin ein Schwein. Und es gibt überhaupt keine plausible Begründung, nach einem Interkontinentalflug nicht duschen zu wollen. Gibts nicht.
Wirklich nicht.
Der bestellte Anruf von Erin lässt auch schon lange aufsich warten. Wahrscheinlich vergessen, verräumt, verschoben – ich kann das alles nicht. Ich muss es auflösen. Ich muss mich selbst ans Messer liefern. Ich muss die Katastrophe auslösen. Es wird grauenvoll werden. Es wird Tränen hageln. Einsamkeit, Kälte. Geschrei bis aufs Blut.
Ich bin feige. Ich bin sogar der feigste Mensch, den ich kenne. Und der gemeinste jetzt gerade auf der ganzen Welt. Es kann nicht sein, dass irgendwer sonst irgendwo sich während dieser Augenblicke und derer, die herandräuen, einem Menschen, der ihn liebt, gegenüber noch schofeliger verhält.
Während das schöne, warme Wasser herunterzischt, kann ich an nichts anderes denken als an diese verfluchte Stunde mit Carolin in New York damals in diesem grässlichen Hotelzimmer mit den Stühlen an der Decke. Warum nur droht sich das zu wiederholen? Ich ahne noch nicht einmal, dass ich in wenigen Wochen bereits eine Psychotherapie würde beginnen müssen; und ich habe auch noch keine Ahnung davon, wie es sich tatsächlich anfühlt, wenn man befürchten muss, wahnsinnig zu werden. Ich kann mir von daher auch nicht vorstellen, dass die erste Auseinandersetzung mit meiner Therapeutin dadurch ausgelöst werden wird dass sie in meinem Lebensverlauf gewisse Muster feststellen will – woraufhin ich furchtbar zornig werden werde, und sie anbrülle und zwingen will, das unter allen Umständen zurückzunehmen! Ich will nicht berechenbar sein, ich will undurchschaubar bleiben! Daraufhin wird sie mir beinahe schon die Therapie kündigen, bevor wir damit begonnen haben werden. Und ich werde sie daraufhin anflehen, das bitte bitte nicht zu tun. Unvorstellbar! Aber so weit wird es noch kommen. Weil es mir dann richtig dreckig gehen wird, tatsächlich kurz vor dem Draufgehen. So weit wird mich meine unerfüllte Liebe zu Julia innur wenigen Wochen treiben. Bis dahin bleibt jedes meiner Ich dreh gleich durch oder ich werd wahnsinnig eben nur so dahingesagt, aber nicht empfunden, ganz so wie man es aus allen Richtungen her hört über den Tag:
O je, du hörst dich ja schlimm verschnupft an! Ja, ich mach’s nicht mehr lang.
Wenn man tatsächlich einmal drauf und dran war zu sterben, fällt einem das superhell auf. So wie an dem Tag mit der ersten Brille, wenn man aus dem Optikerladen tritt und sieht an den Bäumen plötzlich jedes einzelne Blatt.
Sag, was ist eigentlich los mit dir?, fragt Senta. Ich trockne mich ab. Das Telefon vibriert und ich beeile mich, dranzugehen, presse ein Das ist bestimmt Maxim! heraus, als ob damit irgendetwas zur Dringlichkeit erklärt würde. Ich verhalte mich lächerlich schon beim Versuch einer Lüge. Ich kann Erin gähnen hören. Es nimmt kein Ende, also beginne ich eine Unterhaltung mit dem Nichts. Nach vorgetäuschten Gefühlen bin ich jetzt bereits bei vorgetäuschten Personen – es wird alles immer nur noch schlimmer. Ich pumpe etwas Dramatik in mein erbärmliches Selbstgespräch, woraufhin Erin auf Japanisch bis zweiundzwanzig zählt. Ich verabschiede mich von dem angeblichen Maxim am anderen Ende der sogenannten Leitung und kündige in einer albernen Lautstärke an, dass wir uns gleich sehen.
Wenn wir einen Menschen als kauzig charakterisieren – beispielsweise, weil er sich in Selbstgesprächen engagiert – woher nehmen wir den Vergleich mit dem seltsam geformten Vogel? Ich glaube, es liegt an seinem Blick, an den Federbüscheln links und rechts der Augen, die wie Brauen sind. Senta hat mir einst erzählt, dass sie oft Eule genannt wurde. Ihr Blick fordert nichts als Wahrheit, sie schaut mich mit sprichwörtlich großen Augen an, während ich mich hastig anziehe, von den angeblichen Archivierungsproblemen meines Freundes Maxim erzähle und glatterdings lüge mit meiner Behauptung, um wie vieles lieber ich nun bei ihr, Senta bliebe, aber die Freundschaft – sie wisse ja, wie viel mir Maxim bedeute.
Ich hasse es so sehr zu lügen. Was, wenn ich tiefer forsche, auch daran liegen wird, dass ich es nicht gut kann.
Auf Facebook wird gepostet, du liefest mit Plastiktüten voller Zahnpastatuben durch New York, sagt Senta Kustermann, während ich mir die Schuhe
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