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Untitled

Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Bessing
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schweigen beide.
    In einer Stunde könnten wir uns kurz sehen. Ganz kurz. J, steht in der blau gläsernen Blase auf dem dunklen Display. Ich entschuldige mich kurz und tippe die Frage nach dem Treffpunkt ein. Sie schlägt die große Uhr am Alexanderplatz vor. Um vier.
    Sie schreibt: Ich freue mich sehr!
    Maxim sagt, wenn er die fünf Jahre nicht irgendwiestets gespürt hätte, dass Katja ihn liebte, er hätte es nicht überlebt. Das sagt er. Einfach so. Und Maxim neigt nicht zur Übertreibung. Eher zum Gegenteil. Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Ich werde es aber sehr bald schon herausfinden. Im Moment schwirrt mir der Kopf vor Aufgeregtheit, Julia in wenigen Augenblicken wiederzusehen.
    Wie löse ich die Senta-Kustermann-Problematik? Sie hat doch keine Ahnung. Belügen kann ich sie nicht. Berühren geht aber auch nicht mehr gut.
    Du musst es ihr eröffnen, sagt Maxim. Es verhält sich wie bei einer Grippe – wenn du das verschleppst, legt es sich aufs Herz.
    Den schweren Gang nach Hause bringe ich im Taxi hinter mich. Noch eingehüllt in Julias Duft, ich kann die Glätte ihrer kindlich weichen Haut auf meiner Wange spüren. Warum ist es so, dass ich beinahe gänzlich vergessen hatte, wie wunderschön sie ist – das Betrachten von Fotografien ist da wenig hilfreich, es ist dann lediglich das Bild der Erscheinung, das hervorgerufen wird. Aber Julias Schönheit entsteht aus vielen Aspekten, aus ihrer Bewegung, wie sie in der Szenerie auftaucht, ihre hübschen dunklen Augen, ihre Lieblichkeit! Ihre Anmut. Hieltest du mir die untere Hälfte ihres Gesichts mit einer Karte zu und ich sollte, ihrer erstmalig ansichtig, raten, wie ihre Lippen wohl geformt sind, ich läge derart falsch. Sie hat, in einem reizvollen Widerspruch zu ihrer Kopfform und den hohen Wangenknochen, überraschend volle Lippen. Und ihre Küsse – so fühlt sich das wahrscheinlich an, wenn man verblödet. Eigentlich ja sehr gut! Und all das ist weg, wird abgelegt in einem komprimierten Datensatz, und wenn ich Julia endlich wiedersehen darf, wenn ich ihrer ansichtig werde, dann entpackt sich das und sämtliche Erinnerung ist wieder bereitgestellt und da. In der Funktion eines mächtigen Jubelchors des Bejahens. Das wird allerdings nun eine Weile nicht mehr sich zutragen können. Denn übermorgen schon verlässt sie die Stadt für mehrere Wochen. Nach Val d’Isère in die Skiferien. Ich kann mir nicht vorstellen, wie das so lange gehen soll. Ich kann mir zu diesem Zeitpunkt, in den Anfangstagen meiner Liebe zu Julia Speer, noch eine ganze Menge nicht vorstellen. Es geht aber so einiges. Es geht überraschend viel.
    Senta liegt schon im Bett, das macht sie oft an einem Sonntagabend. Der Rechner ist aufgeklappt und ihr Gesicht wird vom Bildschirm mit dieser ganz speziellen Nuance des Plasmatischen bestrahlt. Im Gegensatz zu mir, der noch immer mit den Zeigefingern tippt, beherrscht Senta das sogenannte Zehnfingersystem. Die Nagelränder ihrer schönen schmalen Finger schaben dabei leicht über die silbrigen Tasten. Aus den Lautsprechern des Gerätes tönt das rasche Schnalzen, das die Repliken ihrer Chatpartner auf Facebook meldet. Die Kombination dieser drei Sinneswahrnehmungen: Sentas vom Monitorleuchten bestrahltes Gesicht, das Schaben ihrer Fingernägel über das Aluminium, das Schnalzen des Facebookchats, hat mir viele Monate etwas wie ein Zuhausegefühl bedeutet. Dazu noch der Geruch des heißen Wassers mit Ingwerscheiben, das sie zu diesen Gelegenheiten, früh morgens, früh abends, gern trinkt.
    Ich stehe vor der Schwelle zu diesem Zimmer und es fühlt sich an, als stehe ich dort schon minutenlang und schaue dieses Bild, aber das ist natürlich nicht der Fall. Ich fühle einen großen Widerwillen, über diese Schwelle zu treten. Einige Monate später in diesem Jahr werde ich an einem Sonntagmorgen auf dem Bürgersteig der Hamra Road mitten in Beirut ein Schaf sehen. Man hat es mit einemElektrokabel an einem der alten Leitungspfosten festgezurrt. Ein Teenager wird damit beschäftigt sein, eine Stehleiter der einheimischen Marke Giraffe aufzubauen. Als ich die müßig umstehenden Männer frage, was mit dem Schaf geschieht, werden sie sagen: Schächten, schächten. Und nicht allein deshalb, weil ich mich vegan ernähre, werde ich versuchen, den Männern diesen Plan auszureden – obwohl ich genau weiß, dass mein Unterfangen sinnlos bleiben wird. Und das Schaf wird geduldig mähen – oder ungeduldig? Und einer der Männer wird ein

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