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Untitled

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Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Bessing
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Päckchen Marlboros aufreißen und die Klarsichtfolie dem Schaf hinstrecken, das wiederum die Folie einmümmeln wird, als sei es Distelkraut. Dummes Schaf! Armes Schaf. Als ich das Café Younes erreicht haben werde, hört das Mähen urplötzlich auf. Und ich werde in Tränen ausbrechen, ich werde dagegen nichts mehr in der Hand haben. So weich werde ich dann sein.
    Der erste Fehler in einer verhängnisvollen Kette von Fehlern ist nun, dass ich Senta übergangslos darauf einzustimmen versuche, dass wir unsere sogenannte Beziehung versuchsweise offener gestalten. Da liege ich bereits neben ihr unter der Decke, sie hat den Rechner zugeklappt und beiseitegelegt. Hört aber bei diesem saublöden Satz auch sofort auf, über meine Brust zu streichen.
    Das lässt sich dummerweise so gut wie gar nicht zurücknehmen oder entkräften. Ich habe mich die ganze Woche gewundert, was für seltsame Nachrichten du mir aus New York geschickt hast, sagt Senta.
    Wie meinst du?
    Lieblos, sagt sie, und ich schaue in den Eulenblick. Und sie bekräftigt sich: Ja. Lieblos.
    Und hierauf halte ich es für das Beste, ihr die ganze Geschichte wahrheitsgemäß zu berichten. Es handelt sich imFolgenden wie gesagt um eine veritable Kette dummer Ideen.
    Es war weniger als ein Jahr, dass wir zusammengelebt hatten, als Paar. Sieben Monate. Weder bei traurigen Filmen noch bei berührender Musik habe ich sie weinen sehen. Gestritten hatten wir uns nie. Immer nur dieser Eulenblick, der Wahrheit fordert und ein Geradeheraussein; wahrscheinlich sind wir auch deshalb nie richtig zusammengewachsen, weil das Seelische, die Untiefen, das Dunkle und manchmal auch Kaputte so gar keinen Raum hatten zwischen uns beiden, zwischen Senta und mir. Maxim deutet unsere Verbindung als recreational slumming, ich glaube, wir sind uns zu einer Zeit begegnet, da jeder von uns dringend einen anderen Menschen brauchte, an dessen Seite er sich von einigen Desastern der Vergangenheit erholen konnte. Ich hatte eine zerstörerische Beziehung hinter mir, sie war auf eine schockierende Art verlassen worden. Wobei sich das nun eben zu wiederholen scheint; schockierend allemal, denn von den lieblosen Nachrichten aus New York abgesehen, hatte es keine Hinweise auf das Heraufziehen einer Kaltwetterfront gegeben. Von den Ereignissen in den Badezimmern während jener Nacht, die mit dem erzwungenen Abendbrot im Kronengrill begann, hatte Senta Kustermann ja keinen Wind bekommen. Vom Entfernen des Zahnpastaschaums küssenderweise etwa. Von der hingekritzelten Nummer auf der Visitenkarte von Julia Speer. Von meiner Nachricht an J aus unserem gemeinsamen Badezimmer am Morgen danach: Im Zweifel für den Zweifel – So und nicht anders!
    Seltsam, dass das Ende einer Liebe noch einmal einen großen Redebedarf auslöst. Auf einmal sind da noch Themen anzugehen, Sachverhalte klarzustellen, Erinnerungen zu besprechen. Eine große Weichheit füreinander, es wirddas letzte Mal sein für lange Zeit. Bald fangen wir an, uns zu wiederholen, und dann spüre ich mit einem Mal diesen von früher vertrauten Effekt, wenn ich ein Wort so lange und wieder und wiederholt vor mich hinsage, bis es jegliche Bedeutung verloren hat.
    Im Gegensatz zu unseren Eltern haben wir fünf-, sechsmal erfahren, dass Liebe endet, dass eine Beziehung aufhören kann, schön zu sein, zumindest: dass die Dringlichkeit nicht mehr besteht; nicht mehr in der Form wie zu Anfang jedenfalls. Und wenn man das zum dritten Mal erlebt hat, muss man sich schon sehr konzentrieren, um überhaupt noch weiter glauben zu können, dass es Menschen gibt, die einen glücklich machen werden. Das Konzept einer Ehe, also mit jemandem bis ans Ende des Lebens zusammenbleiben zu wollen, wie meine Eltern beispielsweise, erscheint angesichts der vorzeitigen Endlichkeit des Schönen absurd. Das denke ich zumindest im Februar noch, da kenne ich Julia Speer noch so gut wie gar nicht; vor allem haben wir nahezu nichts miteinander erlebt. Das wird sich ändern, und wie! Das wenige aber, was wir bislang in den Badezimmern und Cafés miteinander erlebt haben, genügt Senta, die mich mit klein geweinten Augen ansieht und sagt: Ich möchte, dass du jetzt sofort gehst.
    Und ich nehme die Tasche mit meinem Zeugs aus New York, die noch unausgepackt vor dem Kleiderschrank steht, und verlasse die Wohnung. Es ist früher Morgen, kurz nach sieben, wir haben die ganze Nacht hindurch geredet und geweint. Nicht einmal den Wohnungsschlüssel habe ich mitgenommen. Wenn ein

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