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Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
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wahr, um vorsichtig die Fensterläden einen Spalt breit zu öffnen und zu beobachten, was auf der Straße vor sich ging.
      Freitagmorgen gingen sie frühzeitig zum Markt, wo das Hausmädchen, angesichts der Rückkehr von Donna Caterina und den anderen Kindern, mehr als sonst einkaufte. Nachdem sie wieder zurück waren, sagte Maria Stella, Luigino solle in seinem Zimmer bleiben: sie müsse gründlich sauber machen, die Möbel abstauben und den Fußboden aufwischen. Sie wollte, daß ihre Herrin bei ihrer Rückkehr das Haus blitzblank vorfand. Luigino gehorchte, und als er hörte, daß das Hausmädchen im Wohnzimmer angefangen hatte zu singen, öffnete er die Fensterläden ein ganz klein wenig und schaute hinaus.
    Er sah einen alten Mann vorübergehen, der hinkte und eine Ziege hinter sich herzog, die ebenfalls hinkte, einen Karren mit einem Lenker, der auf einem Auge blind war, einen armen Mann, dem ein Arm fehlte, und einen Hund, der, abgesehen von seiner Räude, der einzige zu sein schien, an dem alles vorhanden war.
    Dann sah er eine Art von Prozession, die näherkam.
      Zwei Männer trugen eine Bahre, auf der, in ein schwarzes Laken gewickelt, eine menschliche Gestalt lag. Dahinter ging einer, der eine Uniform trug.
      Vor der Türe des Turms blieb die Wache stehen, zog einen Schlüssel aus der Tasche und öffnete. Alle verschwanden dort hinein. Kurze Zeit später kamen die Männer wieder heraus, sie hatten die Bahre bei sich und das Laken. Doch die Wache verschloß die Türe nicht, nachdem er ihre Flügel zugezogen hatte, vielleicht weil er von einem der Bahrenträger abgelenkt wurde, der ihm etwas sagte. Dann gingen sie weg.
      Der kleine Luigi spürte, wie sein Herz zu pochen anfing. In dem Turm lag ein Toter. Und er mußte ihn sehen, er mußte wissen, wie ein Toter aussieht. Diese Gelegenheit durfte er sich nicht entgehen lassen. Er hatte gelernt, vom Sonnenstand über dem Kirchturm die Uhrzeit abzuschätzen: jetzt war es mehr oder weniger zehn Uhr vormittags.
      Die einzige Möglichkeit, auf die Straße zu gehen und sich den Toten im Turm anzuschauen, bestand für ihn nach dem Mittagessen, wenn Maria Stella sich hinlegte, von zwei bis drei.
    Wie sollte er diese vier Stunden bis dahin nur verbringen? Und wenn sie vorher wiederkämen und den Toten forttrügen, um ihn zu beerdigen? Besser nicht daran denken. Er versuchte, die Hausaufgaben zu machen, die der Hauslehrer ihm gegeben hatte, aber er hatte überhaupt keine Lust, er war nicht bei der Sache. Gegen zwölf Uhr ließ er es bleiben, was sollte es schon, wenn der Lehrer ihm eine Standpauke hielt. Angezogen wie er war, warf er sich auf's Bett.
      Die, die auf schlimme Weise sterben, hatte ihm Maria Stella erklärt, verwandelten sich fast immer in eine arme Seele, einen Geist. Und der, der da im Turm lag, war ganz sicher auf schlimme Weise gestorben. Der kleine Luigi wünschte sich, daß er ihn genau in dem Augenblick sehen könnte, in dem er sich aus einem Toten in einen Geist verwandelte. Würde er rechtzeitig da sein?
      Von dem Essen rührte er nichts an, obwohl das Hausmädchen ihm Pasta mit geriebenem Käse und frittierten Gamberi zubereitet hatte, Dinge, die er sehr mochte. Maria Stella war besorgt: ausgerechnet jetzt, wo Donna Caterina heimkehrte, sollte der Kleine krank werden?
    »Signorino, geht es Ihnen nicht gut?«
      Kaum hatte Maria Stella sich hingelegt, war Luigino auch schon auf der Straße. Alleine war er erst einige Male dort gewesen, und die Male konnte man an den Fingern einer Hand abzählen, und dann auch nur, um den Weg vom Haus zur Kirche zurückzulegen, wobei ihn die Mutter vom Balkon aus beobachtete. Ein bißchen mulmig war ihm schon zumute, aber das war nur ein Augenblick. Er mußte den Toten von Angesicht zu Angesicht sehen, etwas anderes kam nicht in Frage. Die Straße war zu dieser Zeit menschenleer, er überquerte sie und stand vor dem kleinen Tor zum Turm.
    Er hatte richtig gesehen: die Türe sah verschlossen aus, war es aber nicht, die Türflügel waren nur beigezogen. Er hob einen Arm, legte die Hand auf das warme Holz, auf das die Sonne prall niederschien. Und in dieser Haltung blieb er einen Augenblick stehen. Er wußte es sich nicht zu erklären, doch er fühlte, daß das, was er im Begriff stand zu tun, wichtig für sein Leben sein würde: sobald er das kleine Tor öffnet, wird sich in seinem Leben etwas für immer verändern. Er drückte leicht und wunderte sich, daß das Tor kein Geräusch machte, er

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