Untitled
habe, begrüßte ich noch in meinem letzten Gesänge die Venus des Frühlings… 1
Die Widmung ist datiert mit Bonn am Rhein, 1890. In dieser Gedichtsammlung liest man problematische Verse wie diese:
… diman ti giungerò, Larva dei sogni miei, lucifera fanciulla, te che il mio tutto sei, e pur, forse, sei nulla…
… morgen komm' ich zu dir, du Larve meiner Träume, du luziferisches Mädchen, du, die mir alles ist, und doch, vielleicht, auch nichts…
Problematisch wegen dieses Attributs luziferisch, das hier
Im Original deutsch
natürlich im Sinn einer »Bringerin des Lichts« zu verstehen ist, gleichwohl aber eine Ähnlichkeit oder Verwandtschaft mit etwas Dämonischem evoziert; dann dieses alles und nichts, das man auch verstehen kann, als würde hier schon einmal vorgebeugt für den Fall, daß die Gefühle einem Wandel unterliegen sollten.
Vierzig Jahre später erhält der inzwischen berühmte Luigi Pirandello während eines Aufenthalts in New York ein Billet von Jenny. Auch sie ist in den Vereinigten Staaten, sie ist Schriftstellerin geworden, sie möchte, wenn auch nur kurz, ihre alte Liebe wiedersehen (eigentlich war sie die Verliebte, er war es wesentlich weniger). Pirandello richtet es so ein, daß es nicht zu dieser Begegnung kommt. Er will die Erinnerung an diese Zeit und die mit ihr verbundenen Bilder so belassen, wie sie sind - erklärt er seinem Biographen Nardelli -, daher würde ein Zusammentreffen mit der jetzigen Jenny die Erinnerung nivellieren und verändern. Im übrigen hatte er in den Rheinischen Elegien bereits geschrieben:
Aus der Erinnerung aber werden so bald nicht Andre Gefühle getilgt, andre Ereignisse nie.
Aber geht es ihm wirklich nur um die Unversehrtheit der Erinnerung, weshalb Pirandello Jenny nicht sehen mag? Oder sind die Motive die gleichen, die ihn drängten, Giovanna nicht mehr wiedersehen zu wollen, was so weit ging, daß er seine Eltern zwang, in eine neue Wohnung umzuziehen?
DIE FUNDAMENTIERUNG
In der neuen Wohnung in der Via Borgo, gegenüber der Kirche der Heiligen Lucia, widmet sich Luigi intensiv dem Lernen, allerdings nicht dem für die Schule. Sein Sohn Stefano wird darüber schreiben:
›Er übersetzte für sich das gesamte Werk eines lateinischen Autors, von dem man in der Schule gerade einmal ein Buch durchnahm… Zwischen seinem dreizehnten und achtzehnten Lebensjahr führte er seine Aufgabe zu Ende, die darin bestand, unmittelbare Bekanntschaft mit Texten der griechischen, lateinischen und italienischen Literatur zu schließen.‹
Und noch einmal ist es der Sohn Stefano, der erzählt, daß Luigi, ohne der Mutter etwas davon zu sagen, in dem Augenblick, als er zu Bett ging, die Matratze vom Bett nahm und sich auf die Holzplanken legte, weil es ihm so schwerer fiel einzuschlafen und er noch lange, beim Schein einer Kerze, weiterlesen konnte. Einige dieser Lektüren hatte er nur widerwillig auf sich genommen, fühlte sich aber verpflichtet, über sie Bescheid zu wissen, und er las sie immer zu Ende.
Auch Dichter verschlingt er, die Romantiker des 19. Jahrhunderts, Giosué Carducci, Arturo Graf.
Sein Sohn Stefano hat durchaus richtig gesehen, wenn er
schreibt, daß Luigi die sich selbst gestellte Aufgabe zu Ende führen wollte, die allerdings nicht darin bestand, unmittelbare Bekanntschaft mit den Klassikern zu schließen. Diese dienten ihm als feste, sichere Grundlage für etwas wesentlich Ehrgeizigeres: er wollte Dichter werden, »sich die Gestalt des Dichters anverwandeln«, wie Gaspare Giudice schreibt.
Und er macht sich daran, Gedichte zu schreiben. Aus dieser Zeit sind viele erhalten, in Heften mit der Aufschrift Prime Note (Erste Meinungen) und Nuovi Versi (Neue Gedichte).
Aber warum ›sich diese Gestalt anverwandeln‹? Hier wird nur eine Vermutung geäußert, aber vielleicht hat Luigi seine Genesung von der tödlichen Krankheit als die neue Geburt, das Erscheinen in der Welt - doch diesmal als eigene Entscheidung - des vertauschten Sohnes aufgefaßt. Jetzt muß das, was seine innere, seine heimliche Überzeugung war, den anderen deutlich gemacht werden, die seine Alterität zur Kenntnis nehmen müssen. Ein Dichter ist unendlich weit entfernt von einem Schwefelhändler und unendlich anders als dieser. Dieser Vorsatz war ihm möglicherweise nicht in aller Deutlichkeit bewußt, lag aber mit Sicherheit in einem Teil seines Herzens verborgen.
Und ebenso peinlich genau wie stolz notiert er in seinen
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