Untitled
Türchen ins Sprachgitter ein. Erst jetzt, beim Anblick des Jungen mit den Augen eines Irren, den sie gut kennt und von dem sie weiß, daß er der Sohn des Mannes ist, der sich versteckt hat, erst jetzt wird ihr möglicherweise ihr großer Fehler deutlich, daß sie nämlich Hilfe und Hort für eine ehebrecherische Liebe zur Verfügung gestellt hat. Als Luigi eintritt, ist die Frau, die einstige Verlobte, wie vom Schlag getroffen, vielleicht vor Schreck gelähmt, Tatsache ist jedenfalls, daß sie sitzen bleibt und ihn vollkommen verblüfft anstarrt, mit dem winzigen Glas Rosolio in der Hand.
Luigi bleibt vor ihr stehen, neigt sich mit dem Oberkörper ein bißchen nach hinten, dann schießt er nach vorne und spuckt ihr kräftig ins Gesicht. Danach wendet er sich ruckartig um und starrt auf den Vorhang, er wartet auf eine gewalttätige Reaktion des Vaters, doch die Schuhe bewegen sich nicht. Bevor er geht, dreht Luigi sich zu dieser Frau um, die Spucke klebte noch an ihrer Wange: ein unsicheres Lächeln, das beinahe eine fröhliche Überraschtheit ausdrückte, glänzte auf den Zähnen zwischen ihren roten Lippen. Und viel Leid dagegen, sehr viel Leid in ihren Augen.
Viele Jahre nach diesem Ereignis wird er in der Erzählung auf dem schmalen Grat der Erinnerung schreiben: unvermittelt und schön erschien ihm das Gesicht dieser anderen, mit der unauslöschlichen Erinnerung daran, wie sie ihn angesehen hatte…
Es ist nicht nur die zeitliche Ferne, die die Erinnerung sanfter macht, Tatsache ist auch, daß Luigi die Vaterfigur im Lauf der Zeit einer leidvollen, schmerzhaften Revision unterzogen hat.
Von diesem Tag an hatten die beiden, wie Nardelli schreibt, nur noch vereinzelte, sehr flüchtige Kontakte. »Zwischen Vater und Sohn senkte sich ein beharrliches, fernes Schweigen.«
Jedenfalls erwähnte Don Stefano bei seiner Rückkehr nach Hause dem Sohn gegenüber mit keinem Wort das Ereignis vom Vormittag. Einige Biographen erzählen hingegen, daß Don Stefano seine Wut an seiner Frau ausließ und sie blutig schlug, und wenn es so gewesen ist, findet der Zweikampf zwischen Vater und Sohn auf maskilistische Weise statt, mit jeweils einer Frau zwischen ihnen, und die beiden sind es, die dafür bezahlen, die eine bespuckt, die andere verdroschen. Doch ich glaube, daß Don Stefano mit seiner Frau nicht einmal darüber gesprochen hat, denn hätte er es, hätte er bezahlen und die ganze Sache wieder neu aufheizen müssen. Niemand hatte letztendlich ein Interesse daran weiterzuerzählen, was im Parlatorium vorgefallen war, vor allem nicht die Äbtissin.
DER WAHNSINN IM RICHTIGEN
AUGENBLICK
Lina, die ältere Schwester Luigis, befindet sich in der nicht einfachen Pubertät. Möglicherweise führt die Spannung in der Familie, die nicht selten in offene Streitigkeiten ausartet, dazu, daß ihr Kopf dem ganzen nicht mehr standhält. Rasch taucht sie ins Dunkel (oder ins Licht) des Wahnsinns ein (von dem sie in der Folgezeit wieder völlig genest). Um sich herum sieht sie keine Menschen mehr, sondern Tiere. Der Vater verwandelt sich in einen Wolf.
Etwas von diesem eigentümlichen Wahnsinn überträgt Pirandello auf die Figur der Dianella Salvo in Die Alten und die Jungen (abgesehen davon, daß er in den einführenden Anweisungen zu seinem Bühnenstück Der Mensch, das Tier und die Tugend wünscht, die Schauspieler sollten Tiermasken tragen).
Luigi ist eng mit seiner Schwester verbunden, in jenen Tagen sorgt er dafür, daß er so oft und so lange wie möglich bei ihr sein kann.
Donna Caterinas Besorgnis übersteigt alles Maß, sie, die auf Luigis tödliche Krankheit so entschieden reagiert hat, fühlt sich angesichts des Wahnsinns von Lina machtlos, auch weil der Betrug ihres Mannes ihr jene Willenskraft geraubt hat, auf die sie sich bei anderen Gelegenheiten stützen konnte.
Doch die Krankheit der Tochter trifft Don Stefano in besonderer Weise. Von Tag zu Tag wächst in ihm die Überzeugung, daß ausschließlich er dafür verantwortlich ist, es ist wegen seiner Sünde, seiner Beziehung mit der einstigen Verlobten, daß Lina mit Wahnsinn geschlagen wurde. Abergläubisch ist er immer mehr davon überzeugt, daß es sich um eine Strafe Gottes handle, auch wenn sie transversal ausfällt.
Was also tun, damit die Tochter wieder genesen kann? Eines Tages findet er die Lösung: er spricht mit der Geliebten, überzeugt sie von der Notwendigkeit, die Beziehung abzubrechen, sofern sie zustimmt,
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