Untitled
Heften, daß Der Traum des Umherirrenden in einem Kulturzirkel in Palermo vorgelesen wurde, daß das Sonett Getrocknete Blumen in der Zeitung ›Sogni e fiori‹ (Träume und Blüten) erschienen ist, und daß seine erste Novelle mit dem Titel Die Laube in der ›Gazzetta del Popolo‹ in Turin erschienen ist. Luigi ist gerade siebzehn Jahre alt.
Diese Anerkennungen befriedigen nicht nur seinen persönlichen Stolz, sondern sind auch die öffentliche Beurkundung für die erfolgte Fundamentierung des vertauschten Sohnes.
DIE GEKRÄNKTE
Don Stefano kam nach Hause in die Via Borgo zurück, wann es ihm möglich war. Immer war er wegen der Arbeit zwischen Porto Empedocle und den Schwefelminen unterwegs. Donna Caterina hatte er gesagt, daß sie die Briefe öffnen solle, die ankamen und fast alle geschäftlicher Natur waren: sofern es etwas Dringendes oder äußerst Wichtiges gab, sollte seine Frau ihm telegraphieren. So kommt es, daß Donna Caterina eines Tages einen an ihren Mann gerichteten Privatbrief liest. Geschrieben worden war er von einer Cousine (oder Nichte) Don Stefanos, die mit ihm verlobt gewesen war, aber dann hatten sie die Verlobung wegen einer Nichtigkeit aufgelöst. In diesem Brief erzählt die Frau ihrem ehemaligen Verlobten von ihren bitteren Lebensumständen: sie hatte geheiratet, war dann Witwe geworden und lebte jetzt in ärmlichen Verhältnissen in Palermo. Sie bat ihn, ihr zu helfen und so ihre beschwerlichen Lebensumstände etwas zu erleichtern. Als Don Stefano nach Hause kommt, zeigt Donna Caterina ihm gleich den Brief und bedrängt ihn, der früheren Verlobten jede nur mögliche Hilfe zu gewähren.
LIVIA:… Eines Tages kam ein Brief an. (redet nicht weiter) GUGLIELMO:… was für ein Brief? LIVIA:… ein Brief: den haben wir zusammen gelesen (er hatte keine Geheimnisse vor mir). Er hat die Schrift zuerst gar nicht erkannt; ich habe ihn noch darauf aufmerksam gemacht: Siehst du nicht? Er ist von deiner Cousine. GUGLIELMO:… dieser Orgera?…
LIVIA:… die seine Verlobte gewesen war: sie hatten sich
nach einem Krach getrennt… GUGLIELMO:… ich weiß. Aber dieser Brief? LIVIA: Ihr war der Mann gestorben. Da sie keine anderen Verwandten hatte, an die sie sich hätte wenden können, bat sie Leonardo um Unterstützung… GUGLIELMO:…die Unverschämte!… LIVIA:… und ich selbst habe Leonardo nachgerade gedrängt, sie ihr zu schicken.
Don Stefano entspricht der Bitte seiner Frau nur widerwillig. Er besucht seine Cousine und frühere Verlobte und überreicht ihr einen ansehnlichen Betrag, ganz sicher kein Almosen. In der Absicht beider hätte die Sache damit erledigt sein sollen. Jedoch…
ELENA:… Nun ja, ich hätte jeden anderen, nur nicht ihn um Hilfe bitten sollen! Wenn ich dennoch ihn gebeten habe, Frau Arciani, dann können Sie sich sicher sein, daß nichts mehr von dem in mir lebendig sein konnte, was mich glücklich hätte machen können über das, was dann leider aus der Begegnung nach so vielen Jahren entstanden ist, wie, das weiß ich selber nicht. Vielleicht, weil das, was wir einmal waren, in uns versenkt bleibt. Von einem Moment zum anderen kann es wieder erweckt werden durch zwei Augen, die einander begegnen, Illusion eines Augenblicks…
Alles vorbei, bevor es überhaupt anfängt. Wäre dieser Zufall nicht gewesen… das größte Unglück… dieses Kind…
Ja, denn aus der Beziehung geht ein Kind hervor. Der vorhergehende Dialog und dieser Monolog stammen aus dem Schauspiel Das Recht der anderen (La ragione degli altri), dem ersten der anerkannten Bühnenstücke, das eine lange Bearbeitungszeit aufweist: ursprünglich eine Novelle mit dem Titel Das Nest, dann das eigentliche Schauspiel, das Pirandello über zwanzig Jahre immer wieder bearbeitet hat und jedesmal einen anderen Titel hatte wie Die Gabelweihe, Wenn nicht so…, Wenn nicht so und schließlich Das Recht der anderen. Der Ausgangspunkt folgt Schritt für Schritt dem Kern der Familienangelegenheit. Als Pirandello das Schauspiel veröffentlichen läßt und dann unter wechselnden Umständen auf die Bühne bringt, lebt Don Stefano noch, der im richtigen Leben die Hauptperson der bedauerlichen Angelegenheit war, und kann sich in der Figur des Leonardo durchaus wiedererkennen.
Indem er eine traurige Familienangelegenheit mit so viel
unbarmherziger Schamlosigkeit verwendet, zeigt Pirandello seinem Vater und nicht nur ihm, daß er, Luigi, nicht zu ihnen gehört, ja, seine Zugehörigkeit verweigert.
Im
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