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Zustimmung seines Vaters kämpfen müssen, der ihm mit großer Weisheit vor Augen geführt hatte, daß eine Verpflichtung dieser Art für ihn verfrüht sei; daß die Cousine vier Jahre älter sei als er, und er, der doch noch ein Student sei, mindestens noch weitere sechs Jahre warten müsse, um sie zu seiner Frau zu machen. Unbeirrt, nach vielen Versprechungen und Schwüren, war es ihm gelungen, die Zustimmung zu erhalten.
Aber wie erhält er sie? Linas Eltern sind mit der offiziellen Verlobung einverstanden, doch nur unter einer Bedingung, und die war, daß Luigi das Studium aufgeben und sich mit Don Stefano zusammentun müsse, um den Schwefelhandel gemeinsam zu betreiben. Das ist eine so schwerwiegende Bedingung, daß Linas Verwandte ganz sicher mit einem Nein rechnen. Sie wissen um Luigis Liebe zur Literatur, sie wissen um sein schwieriges Verhältnis zum Vater. Gerade deshalb haben sie diese Bedingung formuliert. Doch Luigi willigt ein, er würde auf alles Mögliche verzichten, sofern er nur mit seiner Lina Zusammensein kann. Und so wird der junge Luigi der offizielle Verlobte: die Rolle eines - angesichts der Gegebenheiten - praktisch unter besonderer Aufsicht Stehenden, wenn er mit der Verlobten ausgeht und dabei von einem Familienmitglied begleitet wird.
Nur daß er sich, gleich darauf, als er, fast noch ein Junge, ohne jede eigene gesellschaftliche Position, als Lillìs zukünftiger Ehemann allen präsentiert wurde, sich in den Augen der anderen lächerlich vorkam, vor allem in den Augen der jungen Männer, die, mit Lillìs Gunst, für eine gewisse Zeit mit seiner Verlobten herumgeturtelt hatten.
DER SCHWEFEL
Um die Vereinbarung mit der Familie der Verlobten zu erfüllen, reist Luigi im Sommer 1886 nach Porto Empedocle, um mit seinem Vater zusammenzuarbeiten. Das ist das Jahr, in dem nahezu dreihundert Tonnen Schwefel aus 271 funktionstüchtigen Minen im Inselinneren in dem kleinen Hafen verschifft werden. Der Abbau des Schwefels, seine Bearbeitung und der Handel mit ihm war eine wirklich bestialische Arbeit. Nach drei Monaten mühevoller Tätigkeit gelangt Luigi zu der Einsicht, daß diese diabolische Welt aus Schwefel nur ungute Gedanken hervorbringen kann. Und über diese Erfahrung wird er noch lange in Novellen und Romanen schreiben. Ich will hier keine entsprechende Stelle aus dem Werk Pirandellos zitieren, vielmehr möchte ich einen Abschnitt aus einer Abhandlung über Porto Empedocle von Alfonso Marullo folgen lassen, der lange Bürgermeister des Ortes und fast gleichaltrig mit Pirandello war: nur um eine entfernte Vorstellung von der Hölle zu geben, in die hinabzusteigen Luigi aus Liebe bereit war und damit auf die so schwer erlangte Identität des vertauschten Sohnes verzichten wollte.
»Auf knappem Raum ein brodelndes Gewimmel von Menschen, von Fuhrwerken, von Stegen. Jedes Fuhrwerk trifft auf seine Gruppe Männer, jeder Mann auf sein Boot, jedes Boot auf sein Schiff, für das der Schwefel bestimmt ist. Ein undurchdringliches Gewühl, dessen Geheimnis man unmöglich erklären kann: es sind dicht an dicht hingleitende Boote, zwischen denen die Männer ununterbrochen wogenartig herumwimmeln. Fuhrwerke, die ankommen und wieder abfahren, ein Durcheinander von Stimmen, bei dem jeder auch noch den Wind und das Meer zu übertreffen scheinen will: das ist ein fiebernder Wirbel! Wer reguliert die Arbeit an diesem Ort? Wer schützt in diesem Zentrum hitziger Tätigkeit, das nur Gott selbst durchdringen kann, die unterschiedlichen Interessen, die dort aufeinanderprallen? Dieser Schutz ist dort nur etwas Vorgetäuschtes… Doch wenn der Verkehr, der sich in Porto Empedocle beim Be- und Entladen entfaltet, völlig neugestaltet werden muß, um mit der Würde der Arbeit wieder in Einklang gebracht zu werden, dann ist das, was die Träger im Hafen vollbringen - ich kann es nicht anders bezeichnen - ein Affront des Empfindens menschlicher Solidarität. Sie sind Alte, Junge, Kinder sogar, gebeugt unter der Last, die sie auf ihren Schultern tragen. Der erste, der die Reihe anführt, ist im allgemeinen der Willigste; er nähert sich den Lastenwuchtern, von denen er seine Ladung bekommt: in den ersten Korb, in den zweiten, in den dritten… Ein Rucken und Schütteln in den Schultern, um die statischen Bedingungen eines Lasttiers anzunehmen und dann… los, im Laufschritt, immer gleich, wie beim Rhythmus einer Musik, der sich durch lange Hörgewohnheit im Ohr festgesetzt hat. Auf den ersten folgt ein
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