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Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
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verspricht er ihr, sie für ihr restliches Leben zu versorgen und mit ihr auch das kleine Wesen, dessen Geburt bevorsteht. Die Frau kann nur zustimmen, sie hat keine andere Wahl, sie hat längst begriffen, daß ihr Liebhaber sie früher oder später verlassen wird.
      Don Stefano beginnt sich umzublicken, vor allem bei den kleinen Angestellten der Schwefelminen, findet einen, einen Junggesellen, und mit ihm schließt er einen Pakt gegen eine anständige Belohnung. Dieser Angestellte wird der Ehemann der früheren Geliebten und der offizielle Vater des kleinen Mädchens.
      Das andere, was Don Stefano tut, ist, daß er mit der Familie von Palermo wieder nach Porto Empedocle zieht. Zwar nicht mit der ganzen Familie, denn Luigi bleibt in Palermo, um weiter seine Schule zu besuchen; aber er macht häufige Reisen, um die Mutter und vor allem die kranke Schwester wiederzusehen, deren Krankheit gerade im richtigen Augenblick aufgetreten ist, um wieder einen Anschein von Frieden in die Familie Pirandello zurückzubringen.
    Dies ist die erste schmerzliche Berührung Luigis mit dem Wahnsinn. Andere Fälle hatte er vorher mit Sicherheit schon einmal gestreift, wenn auch nicht im Familienkreis. Die Provinz von Girgenti weist zwischen der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts und den ersten dreißig Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts prozentual die höchste Rate an Geisteskranken in ganz Italien auf.
    »Die paroxystische Selbstliebe«, hat Leonardo Sciascia erklärt, und wir wiederholen es hier, treibt »in ihrer Übersteigerung« die Girgentaner an die Grenzen des Wahnsinns. Doch wenn man die Rangliste im Auge behalt, dann überstiegen die Girgentaner zu jener Zeit diese Grenzen mit großer Leichtigkeit.

ZWEITER TEIL

    SIZILIANISCHE FREUNDSCHAFT

    Endlich hatte der vertauschte Sohn es geschafft, einen auch in Kilometern zu messenden - Abstand zwischen sich und der Familie zu etablieren, in die er irrtümlicherweise hineingeboren worden war. Er besucht die Abiturklasse und bezieht mit seinem Freund Carmelo Faraci ein gemietetes Zimmer. Faraci, ein intelligenter Junge und äußerst aufmerksamer Beobachter, erahnt die Außergewöhnlichkeit seines Zimmergenossen, und um ihm Unannehmlichkeiten und Zeitverluste zu ersparen, kümmert er sich um die praktischen Belange des Zusammenlebens, vom täglichen Einkauf bis zum Kochen. Er macht ihm sogar jeden Morgen das Bett. Carmelo ist Luigi ergeben, doch Luigi ist es ebenso Carmelo gegenüber. Er begreift, daß, wenn der Freund dies alles tut, er dies nicht aus serviler Unterwürfigkeit oder aus anderen Gründen tut, sondern die unangenehmen Aufgaben ausschließlich aus seiner ureigenen Auffassung von Freundschaft übernimmt, damit Luigi sich allein dem Lernen und dem Gedichte- und Novellenschreiben widmen kann. »Kratz deinen Freund, wo's ihn juckt«, sagt ein sizilianisches Sprichwort, darin bestehe die Aufgabe der Freundschaft, und Carmelo erfüllt sie ganz und gar. Nachdem sie eine Weile zusammengelebt haben, bedürfen sie in Anwesenheit dritter Personen keiner Worte mehr, sie verständigen sich durch einen raschen Blick.
    Später wird Pirandello eine große Zahl von Freunden in den intellektuellen Kreisen Roms gewinnen. Doch der wirkliche Freund, der, dem man auch noch die verborgensten, geheimsten Gedanken gestehen kann, bleibt Nino Martoglio. Der Band mit ihrem Briefwechsel ist ein
    lückenloses Handbuch einer sizilianischen Freundschaft.
    Darüber, was man anderenorts allgemein als
    Freundschaft bezeichnet, was oftmals aber keine Freundschaft ist, hat Pirandello ein erschöpfendes Bild im negativen Sinn in der amüsanten Novelle Engste Freunde gezeichnet. Eines Tages ergab es sich, daß ich im Theater mit einem alten, ganz ungewöhnlich großartigen sizilianischen Schauspieler gearbeitet habe, der Turi Pandolfini hieß und lange Mitglied des von Martoglio geleiteten Ensembles war, als dieser die geschriebenen oder in Dialekt gestalteten Stücke seines Freundes Pirandello auf die Bühne brachte.
      »Wenn Pirandello und Martoglio bei den Proben zusammen waren, haben sie dann miteinander geredet?« fragte ich ihn eines Tages.
    »Na, und wie! Sie redeten ununterbrochen miteinander!«
    »Und worüber sprachen sie so?«
    »Also, das weiß ich nicht. Sie blickten sich an.«
      Sie sahen sich an, sie redeten mit den Augen. Und das Gespräch zwischen ihnen war endlos, ohne Unterbrechung und für die anderen nicht verständlich. In diesem Zusammenhang gibt es ein

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