Untitled
diskutiert, ob er zur Abschlußprüfung überhaupt zugelassen werden soll.
Tatsache ist, daß in Luigi die Liebe zu seiner Cousine Lina voll aufgebrochen und leidenschaftlich entflammt war. Über diese quälende Liebesgeschichte hat Pirandello später eine Novelle mit dem Titel Zwischen zwei Schatten (Tra due ombre) geschrieben.
Nach Abschluß des Gymnasiums ist Carmelo Faraci gezwungen, wegen eines Trauerfalls in der Familie wieder in seinen Heimatort Sant'Agata Militello zurückzukehren. Daraufhin zieht Luigi in die Via Bontà um, wo er zahlender Gast bei einer Großtante ist, deren wirtschaftliche Verhältnisse sehr ungünstig sind, und die auch für ihn kocht. Luigi hat jetzt viel Zeit für sich und kann sehr viel eifriger und ausdauernder das Elternhaus seiner Cousine Lina besuchen als vorher.
LINA
Für die schöne Cousine, die vier Jahre älter war als er, war Luigi gleich beim ersten Mal Feuer und Flamme gewesen, als er ihr, kaum dreizehnjährig, begegnet war. Und zwar so sehr Feuer und Flamme, daß er für dieses Mädchen ein Gedicht schrieb, das folgendermaßen endet:
Lache, Linuccia, und empfange die Girlande, die das Lächeln einer Seele dir sendet.
Jetzt ist Luigi achtzehn Jahre alt, Lina zweiundzwanzig und eine ausgewachsene Frau. Und er ist ganz von ihr erfaßt.
Sie ist nicht nur schön, diese junge Frau, sie hat nicht nur viele Verehrer, sie verfügt auch über eine unvergleichliche Koketterie. Und obwohl sie eine Cousine von ihm ist, wird Luigi der Freund einer ihrer Brüder, nur um sie ungehindert besuchen zu können.
Seine stille Liebe für und seine stumme Hingabe an Lina, die für ihn überhaupt kein Interesse zeigt, sind Anlaß für Spaß und Vergnügen ihrer Verwandten und Freunde.
Und die waren zahlreich, weil auch sie wiederum Freunde der älteren Geschwister Linas waren und diesen schüchternen Achtzehnjährigen als kleinen Jungen betrachteten, sie, die schon seit langem ihr eigenes Brot als Hafenarbeiter oder mit anderer ernsthafter Tätigkeit verdienten und ihre Zeit nicht damit vertrödelten, Bücher zu lesen. Luigi hat, gemessen an ihnen, keinerlei Chance.
Bis sie, ganz unversehens, wer weiß, warum, vielleicht aus Bosheit oder aus unerwarteter Ernüchterung oder um sich unverzüglich bei jemandem zu revanchieren, sich ihm voller Liebe zuwandte und sich ihm versprach…
Das Schöne an der ganzen Sache ist, daß Linas Ver
sprechen kein Witz ist. Von diesem Augenblick an betrachtet sie sich als Luigis heimliche Verlobte und weist jeden möglichen anderen Verehrer ab.
Erst jetzt begreift Luigi die Bedeutung des mit der Cousine geschlossenen Pakts und wird noch ängstlicher, er weiß, daß er nichts darstellt und vorweisen kann, was könnte er Linas Familie schon anbieten, damit sie die offizielle Verlobung bekannt gibt? Unterdessen nimmt Luigis Leidenschaft zu, auch hervorgerufen durch die Verhaltensweisen der jungen Frau, zumindest, wenn man der Novelle folgt, in der Lina zu Lillì wird, die ebenfalls zweiundzwanzig ist.
Lillì… schön, wie sie heimlich, von fern, um ihn zu versuchen, die Türe ihres Zimmers einen Spalt offen ließ und ihre Brust unter der Weiße ihrer Spitzen entblößte und sie ihm mit ihrer Hand ganz unmerklich sozusagen darbot und gleich darauf mit derselben Hand wieder verbarg.
Unterdessen komplizierten sich die Dinge. Denn Lina schlug, ohne irgendein Wort der Erklärung, eine bemerkenswerte Partie aus, einen reichen jungen Mann, von gutmütigem Charakter, über den man kein schlechtes Wort sagen konnte. Noch sprachloser war ihre Familie, als Lina einen anderen abwies, der dann versuchte, sich wegen ihrer abschlägigen Antwort das Leben zu nehmen, worüber die junge Frau mit keiner Wimper zuckte.
Dann gab es da noch die Geschichte mit dem Witwer: er war ungeheuer reich, und durch die Ehe mit ihm wäre die Familie, die ganz sicher nicht in Saus und Braus lebte, ein für alle Male gut versorgt gewesen. Aber Lina beharrte auf ihrer Haltung, niemand konnte sie umstimmen. Als die Eltern der jungen Frau endlich merkten, was der Grund für diese Ablehnungen war, untersagten sie dem jungen Luigi, weiter zu ihnen zu kommen. Daraufhin mußte er nun mit der Sprache herausrücken, dem Vater erklären, wie sich die Dinge verhielten, ihm von der geheimen Absprache erzählen. Ebenso schwierig war es, den anderen Vater zu überzeugen, nämlich den eigenen, Don Stefano.
Über einen Monat lang hatte er um die
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