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Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
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begeistert, die in diesem Weggang, den alle nur als vorübergehend bezeichnen, den völligen Rückzug Luigis spürt. Über ihre Reaktion, über ihr Verhalten in jenen Tagen ist nichts bekannt, aber schließlich weiß man über das Verhalten und die Reaktionen der von Luigi verlassenen Frauen immer nur wenig. Hingegen weiß man viel denn er hat darüber ausführlich an seine geliebte Schwester geschrieben - über Luigis Zweifel, seine Ungewißheiten, darüber, wie unentschieden er ist zwischen der Schurkenrolle gegenüber Lina und seiner Berufung zu einer höheren, sehr viel anderen Aufgabe.
      Dann wird die Entscheidung endlich getroffen. Im November 1887 schifft sich Luigi auf dem Postschiff ein, das ihn von Palermo nach Neapel bringt, von dort aus reist er nach Rom weiter, in eine Stadt, in der ein Bruder von Donna Caterina, Rocco Ricci Gramitto, eine schützende Hand über ihn halten kann. Er ist jetzt zwanzig Jahre alt.
    Die sogenannte Verlobung mit Lina zieht sich müde und
    träge noch über einige Jahre hin. Am 15. August 1891 schreibt Luigi einen sehr langen Brief an seinen Vater, in dem er eine Art Zusammenfassung seiner Verlobungszeit gibt und die Gründe für ihr Ende benennt. Die Krise hat am Ende des Sommers von 1887 ihren Anfang genommen:
       Oh, die ersten Herbsttage des Jahres achtzehnhundertsiebenundachtzig! Oh, der lange, der langsame Zug der Wolken an diesem Septemberhimmel über dem weiten Meer vor unserem Hause!
    Und er fährt in einem immer falscheren hohen Dichter
    ton fort:
       Die Tage und die Wolken, ich habe sie gezählt; doch weder mit diesen noch mit jenen ist mein Elend fortgetragen worden. Und ausgerechnet in eben jenen Tagen lächelte die KUNST mir öfter zu, mit Leidenschaft beim Lachen, und als wäre sie entsetzt von der blonden Härte des Schwefels, dessen Namen und Eigenschaft Du mir morgens beigebracht hattest, flüchtete sich meine Seele in sie und in ihrem Lächeln lebte sie.
      Im Lächeln der KUNST mit Majuskeln, nicht in dem Linas, für die in jenen Tagen seine Seele entsetzt war von der blonden Härte des Schwefels.
    Und Lina?
       Linas Unheil kann auch darin bestehen, daß sie einem Mann begegnet ist, der zu einer kleinen Gruppe von Unglücksraben gehört, für die die Zeit verhängnisvoll vergeht und die das moderne Leben jeden Tag aufs neue aus ihrem Herzen ausschließen.
      Er rechnet sich den extravaganten, den anarchischen, den ausgestoßenen Künstlern zu, auch den Poètes maudits, und in demselben Brief erklärt er:
    Ich darf nicht, ich kann nicht heiraten.
    So also wußte der, der sich auf dem Postschiff eingeschifft hatte, das ihn ›zum Kontinent‹ bringen wird, in diesem Augenblick bereits, daß er niemals mehr in die Arme der jungen Frau zurückkehren wird, die dort am Kai ihr Tüchlein zum Zeichen des Abschieds schwenkte.

    ROM

      Rom wirkt auf ihn gleich wie eine Auflösung von verschnürten Verlobungen, Familien, Verhaltensmaßregeln und dergleichen. Über Rom dichtet er Verse, die wie Freudenhymnen, wie Befreiungsschreie wirken, er streift durch die Straßen, leichtfüßig, verzaubert. Aber es gibt da ein Aber, und das darf nicht einfach übergangen werden. Er ist zu seinem Onkel Rocco gezogen, in die Via del Corso 456, und dieser Onkel lebt mit einer ehemaligen Sängerin zusammen, auch mit ihrer Familie und ihren Freunden, und auch mit einem kleinen Hauszoo bestehend aus Hunden, Katzen, Papageien und Affen. Und über diesem Höllenlärm erhob sich die gleichmäßig hohe Stimme Nannas, der ehemaligen Sängerin. Im Grunde keine Situation, die jemanden, der sich gewissermaßen als poète maudit sehen wollte, in solche Schwierigkeiten hätte bringen können. Was Luigi in Wirklichkeit aus der Fassung brachte, war die psychologische Lage des Onkels.
    In Girgenti war der Onkel nach seiner Rückkehr aus dem Gefängnis im Zusammenhang mit den Ereignissen am Aspromonte wie ein Held aufgenommen worden, und über seine Unternehmungen sowie über seine Verurteilung zum Tod in Abwesenheit, über seine Verfolgung durch die bourbonische Polizei, über seine Taten als Adjutant Garibaldis redete man in Girgenti noch immer. Was war geschehen? Rocco Ricci Gramitto war jetzt ein über fünfzigjähriger Präfekturrat, der keine Lust auf nichts mehr hatte, er wollte nur noch mit seinen Papageien und seinen Äffchen zusammen sein. Dafür hatte er sogar die Beförderung zum Präfekten ausgeschlagen, denn er befürchtete zu Recht, daß er von Rom versetzt würde und

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