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Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
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und, mit noch größerer Bezugnahme, zu dem Roman Redivivo (Der Wiederauferstandene) eingegangen war:
    »Im Grunde wird die tiefere Rechtfertigung für das auto
    biografische Erzählen im ersten Kapitel antizipiert, wo gleich das Thema der Identität offen dargestellt wird: Das wenige, ja das einzige, was ich mit Gewißheit wußte, war dies: daß ich Mattia Pascal hieß. Und das habe ich ausgenutzt. Der Name war für die Hauptfigur einmal die einzige Gewißheit, und das wiederholte er vor sich und vor den anderen, um wenigstens… seine Anwesenheit… zu erkennen. Doch schon damals, noch bevor sein Abenteuer seinen Anfang nahm, konnte er seine Abwesenheit von aller Realität feststellen, seine Unmöglichkeit, sich als Person zu erkennen…«
    Richtig: Wenn man sagt »Ich heiße Luigi Pirandello«, so ist das nicht das gleiche, wie wenn man erklärt »Ich bin Luigi Pirandello«.
    Apropos Identität. Leonardo Sciascia widmet in seinem
    Alfabeto pirandelliano (Pirandello-Alphabet) ein Stichwort dem russischen Schaupieler Iwan Iljitsch Mosjoukine, der sich französisch naturalisiert hat und in der Filmversion des M attia Pascal von 1925 unter der Regie von Marcel L'Herbier ein unvergeßlicher Interpret war, so daß »alle Leser des Romans, die den Film gesehen hatten, vielleicht sogar Pirandello selber, sich seine Figur nicht mehr anders als mit der Gestalt, den Bewegungen und dem Gesichtsausdruck Mosjoukines vorstellen konnten«. Und er fügt hinzu: »Nach diesem Film wurde Mosjoukines Leben, das an sich schon ziemlich pirandellianisch war, vollends pirandellianisch.«
    In welchem Sinn aber? Sciascia spricht von Identitäts
    problemen und zählt, beinahe wie zum Beweis, die Rollen des Schauspielers auf, von der Lebendigen Leiche Tolstojs bis zu Casanova. Doch auf dieser Linie wären auch noch der Kean von Dumas und der Danse macabre von Volkhoff hinzuzufügen, die Geschichte eines Dirigenten, der sich dermaßen mit dem Danse macabre von Camille Saint-Saèns identifiziert, daß er verrückt wird. Doch wir glauben, daß man Mosjoukines Leben als pirandellianisch bezeichnen kann, eben weil auch er ein vertauschter Sohn war: von reicher adeliger Großgrundbesitzerfamilie geboren, wurde er nach dem Besuch des Gymnasiums von seinem Vater in Jura immatrikuliert. Dort studierte er zwei Jahre lang, dann lief er davon und wurde Schauspieler. Er hatte einen natürlichen Sohn, den französischen Schriftsteller Romain Gary, der die Identitätsprobleme seines Vaters erbte, sie sogar noch stärker befrachtete und schließlich durch Selbstmord starb.
    Doch wenn er jetzt, in diesen Tagen, in denen der Roman gedruckt wird, der ihm internationalen Ruhm einbringen wird, auf seine Weise, kunstgerecht, die ferne Geschichte niederschreiben sollte, die ihm das Hausmädchen Maria Stella erzählt hatte, als er klein war, würde er sie gewiß nicht mehr als »Märchen« bezeichnen.

DRITTER TEIL

    DER GRAUENVOLLE ABGRUND

    Von der Fast-Lähmung, die sie befallen hat, erholt sich Antonietta, auch dank der ständigen Aufmerksamkeit, die Luigi ihr zukommen läßt, was so weit geht, daß er die Kinder, die ja noch klein sind, aus der Wohnung weg - und bei Verwandten unterbringt. Damit will er vor allem vermeiden, daß sie bei Antoniettas immer häufiger stattfindenden Szenen anwesend sind, aber gleichzeitig will er seine Freizeit auch ganz dem Schreiben und der Fürsorge für die Kranke widmen. In einem an seine Schwester Lina gerichteten Brief vom September 1906 zieht Luigi eine verheerende Bilanz seines Lebens als vertauschter Sohn.
       Mit vierzig Jahren halb kahl, mit fast zur Gänze weißem Bart; alles Vermögen verloren; das Heim in Trümmern; von meinen Kindern getrennt… Mein Schicksal ist wahrhaft tragisch, liebe Lina, und für mich gibt es keinen Ausweg.
      Und zwei Wochen später, als er offensichtlich auf die Worte der Schwester antwortet, die ihn ermutigten, doch nur ja Hoffnung zu haben, ist Luigi drastisch.
      … diese unglückselige Frau kann nicht gesund werden… ich habe den grauenvollen Abgrund dieser Seele fühlen und ausmessen können. Sie wird nicht gesund werden, sie kann es nicht.
    Was ist geschehen? Antoniettas immer stärker unkontrollierbarer Wahnsinn hat sich in das gleiche Flußbett ihrer Familie, der Portolanos, ergossen, in dem der Fluß der Eifersucht reißend, bisweilen auch über die Ufer tretend dahinjagt. So, wie ihre Brüder es mit ihr gemacht hatten, wenn sie, damals noch Klosterschülerin, sonntags in

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