Untitled
Unbestechlichkeit zu schaffen, der ihm andere mögliche Unannehmlichkeiten mit Antonietta erspart hätte.
Und Antonietta wurde sich gelegentlich des Zustands bewußt, in dem sie sich befand. Im Schlafzimmer, einer weiteren Folterkammer, wie Giovanni Macchia das genannt hat, befand sich eine große Fotografie von der gerade verheirateten Antonietta. Eines Tages fragte sie ihn:
»Wieso behältst du es noch hier? Noch jetzt…«
Und, auf ihr Bild deutend, sagte Luigi: »Ich behalte es, weil sie es ist, nicht du, die mich glücklich gemacht hat.«
Dieser schlimme, dieser schwerwiegende Ausspruch (der ja vor allem auch die gegenwärtige körperliche wie psychische Zerstörung seiner Frau ungeheuer belastet) wurde von Gaspare Giudice aufgrund einer Mitteilung von einer Nichte Antoniettas zitiert. Und man muß ihn wohl für authentisch halten, eben weil er eine ziemliche Dosis von Groll und Feindseligkeit enthält.
Die Urteile, die Luigi in diesen Jahren über Don Stefano abgibt, haben nicht den Tonfall des Grolls, sondern den der völligen Verachtung. Luigi hätte es gerne gewollt, daß Don Stefano die verlorene Mitgift als Schuld anerkennt und irgendwie für ihre Rückzahlung sorgt. Don Stefano war demgegenüber der Ansicht, daß die Mitgift kein Darlehen war, sondern wesentlicher Bestandteil des in die Gesellschaft eingebrachten Kapitals, folglich besteht nach dem Bankrott der Gesellschaft Luigi gegenüber keinerlei Verbindlichkeit.
Zu alledem mischt sich zwischen die beiden Streitenden auch noch der Fiskus ein, weil für Antoniettas Mitgift ein ansehnlicher Steuerbetrag, nämlich zwanzigtausend Lire, fällig sind, Geld, das Luigi nie gesehen hat. Luigi weigert sich zu zahlen, und seine Möbel werden gepfändet. Seine Erbitterung steigert sich aufs äußerste.
Was ich dem, dessen Name ich trage, nie vergeben kann,
das ist nicht so sehr der nicht wieder gutzumachende materielle Schaden als vielmehr die schreckliche moralische Qual, der er mich so viele Jahre hindurch unterworfen hat, indem er in niederträchtiger Weise darauf beharrte, das Geld der erschlichenen Mitgift als heilige Schuld zu betrachten.
Die Wahrheit ist, daß Don Stefano nichts mit List und Tücke entrissen hat. In dem »Geschäftsvertrag«, das heißt dem Ehevertrag, hat Luigi ausdrücklich unterschrieben, daß die Mitgift in das von Don Stefano verwaltete Gesellschaftskapital einfließt, der dafür Sorge trägt, ihm die monatlichen Zinsen zu überweisen. Und außerdem: Wieso hat er nie die Alarmzeichen zur Kenntnis nehmen wollen, die ihm Calogero Portolano hatte zukommen lassen?
Jedenfalls, Don Stefano wird als der, dessen Name ich trage bezeichnet, nicht als Vater. Ein schwerer Fehler im Personenstandsregister, eine schwerwiegende Verwechslung. Als vertauschter Sohn will er nicht einmal mehr diesen Namen tragen.
DAS SCHLAFZIMMER
Luigi blickt von dem Blatt Papier auf, das er mit Wörtern vollschreibt, er muß eine Novelle abschließen und sie an den ›Corriere della Sera‹ schicken, er sieht auf die Taschenuhr, die neben dem Tintenfaß liegt. Mitternacht ist seit ein paar Minuten vorbei, und er fühlt schlagartig die Müdigkeit, die ihm auf den Augenlidern lastet. Das Licht, das die vom Nachtkasten zum Schreibtisch gebrachte Lampe spendet, ist schwach, hat einen Gelbton, aber so muß es sein, damit Antoniettas Schlaf möglichst nicht gestört wird. Das, was in der ersten Zeit der Ehe ein einfaches, bequemes, aufgeräumtes Schlafzimmer war, ist jetzt ein wüstes Durcheinander. Da befindet sich zum Beispiel auf Antoniettas Seite ein kleiner Tisch, auf dem stehen an die zehn Fläschchen mit Medikamenten, Beutel mit Pülverchen, ein Spirituskocher, um Wasser heiß zu machen, wenn Antonietta zufällig nachts irgendeinen Kräutertee zubereiten muß. Luigi hat auch einen kleinen Schreibtisch gebracht, an dem er arbeiten kann, ohne daß er jeden Augenblick gerufen wird, wie das vorher der Fall war:
»Luigi, wo bist du? Was machst du?«
»Ich bin hier. Ich schreibe.«
»An wen? An irgendeins von deinen Weibsstücken, was?«
So aber kann Antonietta, wenn sie will, aus dem Bett aufstehen, ohne das geringste Geräusch zu machen, und nachsehen, ihm über die Schulter blicken und lesen, was ihr Mann da schreibt. Aber selbst, wenn die Worte, die sie gelesen hat, ganz eindeutig nicht die Worte eines Liebesbriefes sein können, beunruhigt sie sich manchmal noch mehr.
»Hast du alle diese Frauen gekannt?«
»Welche Frauen,
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