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Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
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dessen gewahr zu werden, von der Kunst abschreibt.
    Folglich:
    Die Absurditäten des Lebens haben es nicht nötig, wahrscheinlich zu wirken, weil sie wahr sind. Im Gegen satz zu denen der Kunst, die, um wahr zu wirken, wahrscheinlich sein müssen… Daher ist es eine Eselei, wenn man ein Kunstwerk im Namen des Lebens der Absurdität und der Unwahrscheinlichkeit bezichtigt.
      Damit kann man voll übereinstimmen. Nur daß Pirandello gerade mit der Auswahl dieser beiden banalen Ereignisse so etwas wie eine Ablenkung durch Unterlassung vollführt. Denn die Koinzidenzen zwischen den Zeitungsnotizen und dem Roman sind dermaßen oberflächlich, daß sie ebenso akzeptabel wie irrelevant sind. Der eigentlich interessante Punkt wird von Pirandello sehr bewußt übergangen. Im ersten Fall: Mrs. Heintz bringt sich um, und die beiden anderen erkennen die Sinnlosigkeit ihres eigenen Selbstmords. Wenn sich anstelle von Mrs. Heintz die junge Geliebte umgebracht hätte, hätte sich das Ehepaar wieder versöhnt. Mr. Heintz wäre also in jedem Fall der Gewinner in dieser Geschichte gewesen. Warum schaltet sich die Polizei ein? Sie vermutet seitens des Gatten und der jungen Geliebten einen gigantischen Betrug gegenüber der Ehefrau, durch den sie sie in den Selbstmord treiben. Das ist es, was zählt, das ist der eigentliche Fall.
      Die andere schwerwiegende Unterlassung beim zweiten Fall: Wie aufrichtig, wie ernsthaft waren die Tedeschi und der Majoli bei der Identifizierung der Leiche aus dem Kanal als der des Ambrogio Casati? Nutzten sie eine einzigartige Ähnlichkeit aus? Und warum sollte man nicht noch weiter gehen und die These aufstellen, daß die Tedeschi und der Majoli, die Geliebte waren, sämtliche Voraussetzungen schufen (einschließlich die der Ermordung eines Unbekannten), damit die vorgetäuschte Erkennung stattfinden konnte?
    Doch Pirandello mag bei diesen Fragen nicht verweilen. Indem er im Flug den Satz »ohne auf irgend welche bürokratischen Hindernisse zu stoßen« aus dem Corriere della Sera aufnimmt, bringt er Priester und Bürgermeister ins Spiel, Kirche und Rathaus, schuldig, einen Irrtum ermöglicht und bestätigt zu haben. Gerade mit den von ihm angeführten Beispielen scheint Pirandello den Sinn seines Romans auf eine »Tragödie des bürgerlichen Staates« [oder »Personenstandes« - das ist doppeldeutig hier, A.d.Ü.] (wie ein Drama verächtlich definiert wurde) reduzieren zu wollen, womit er einer freieren Lesart Grenzen setzen, ihr einen Riegel vorschieben will.
      Jean Michel Gardair hält in seinem Buch Pirandello und sein Doppelgänger von 1972 den Mattia Pasccd »sicher für die sowohl thematische als auch strukturelle Summa der Doppelgängerfiguren, die das erzählerische Werk Pirandellos ins Spiel setzt«.
      Und indem er weit im Leben des Autors zurückgeht, sagt er:
      »Denn Pirandellos gesamte Existenz ist auf das Double ausgerichtet, allerdings zwei radikal entgegengesetzten Erfahrungsebenen entsprechend. Die Erfahrungen der ersten sind rein reflektierend und leidenschaftlich, um nicht zu sagen passiv innerhalb eines Bewußtseins, das von Mal zu Mal durch die eigene Mannigfaltigkeit zerrissen wird, eingemauert in seine Einsamkeit oder anderen gegenüber entfremdet; die zweiten sind freiwillig und positiv, die darauf abzielen, die vorhergehenden Erfahrungen sowohl zu negieren als auch umzukehren.
      Pirandello machte seit frühester Jugend die Erfahrung der inneren Verdoppelung.«
    Darum geht es im wesentlichen.
    Wir sind davon überzeugt, daß der junge Pirandello niemals die Erfahrung einer inneren Verdoppelung gemacht hat. Das große Ich und das kleine Ich, die zum Beweis von Gardair angeführt werden, sind nichts weiter als ein verbreitetes Kinderspiel, das Pirandello gegenüber Antonietta ein bißchen verdreht anwendet. Ich persönlich habe ein kleines Mädchen gekannt, das sich oft mit einem kleinen »o« traf, das mit ihm redete, und oft stellte sich in der Diskussion dann auch ein großes »O« ein. Mindestens bis zu diesem Augenblick (denn später wird sich das Problem des Doppelgängers einstellen) ist Luigis Drama gerade das des vertauschten Sohns gewesen. Ein Drama nach Familienbucheintragungen, nicht nach der Substanz. Ein Drama der Nichtzugehörigkeit.
      In diesem Sinn und sehr viel scharfsichtiger schreibt Nino Borsellino in seinem Pirandello - Ein Portrait, n achdem er auf mögliche Verbindungen zu dem früher erschienenen Roman Bufera (Sturm) von Edoardo Calandra

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