Untitled
und schließlich, eingepreßt in den Zangengriff von Calogero Portolano, der sich von Luigi betrogen fühlt, von Don Stefano, der ihre Mitgift in der Hand hat, und von ihrem Ehemann, »der verloren und weit entfernt in einer undechiffrierbaren Welt lebte, wird sich Antonietta Portolano gefühlt haben, als wäre sie in eine ›Form‹ gezwängt und würde lediglich eine Mitgift darstellen« (Sciascia).
Wie immer die Sache aber auch sein mag, die von den Nonnen erzogene junge Frau hat es verstanden, sich in das zu verwandeln, wozu sie erzogen worden war: eine gute Ehefrau, eine gute Mutter zu sein. Und Pirandello hatte, ganz abgesehen von seiner natürlichen Veranlagung zur Monogamie, von »seiner« Familie (denn seine war es wirklich, von ihm in aller Freiheit gewollt) eine genaue, strenge Vorstellung, die sich auf die Ehrlichkeit und Festigkeit der Ehegattenbeziehung gründete. Für die Krankheit, die Antonietta heimgesucht hat, ist sie nicht verantwortlich, und auch, wenn er nicht katholisch, ja nicht einmal gläubig ist, weiß Luigi zutiefst und aus seiner Tradition heraus (weil er es in seinem Blutkreislauf hat), daß er und seine Frau ein Fleisch sind; daß er sich durch die Ehe genaue Pflichten auferlegt hat, die er ganz und gar zu erfüllen trachtet. Er ist zu Recht davon überzeugt, daß, wenn er erkrankt wäre, Antonietta an seinem Bett bleiben würde, ergeben, bereitwillig und fügsam, wie er es verstanden hatte zu sein.
Andererseits hätte ihre Entfernung das Eingeständnis der Niederlage des vertauschten Sohnes bedeutet: er besitzt nur dieses Leben, das er sich unbeirrt hatte schaffen wollen und dessen unvorhersehbares, schreckliches Los er jetzt ertragen muß. An den Wahnsinn ist er irgendwie gewöhnt, zumindest hat er eine Ahnung davon bekommen, als seine Schwester Lina angefangen hatte, die Menschen für Tiere zu halten und Don Stefano die Schuld dafür wegen des Ehebruchs auf sich nehmen wollte. In »seiner« Familie wird es keinen Ehebruch geben, keine Teilaufhebung der Pflichten, die die Ehe mit sich bringt.
Ausgestreckt auf dem Bett neben seiner gelähmten Frau liegend, hat er begriffen, daß man das Leben leben kann, indem man es schreibt, und man kann es schreiben, indem man es lebt (auch wenn er später mit einer Endgültigkeit, die einen argwöhnen läßt, behauptet, daß man das Leben entweder leben oder aber schreiben kann). In jenen Nächten, die er mit der Niederschrift des Mattia Pascal zugebracht hat, hat er entdeckt, daß, da er das Leben nicht mehr ändern kann, weil er es schon einmal geändert hat, es sich, wenn überhaupt, in einer Unzahl deformierter Projektionen seiner selbst brechen kann. Die Lähmung, die Antonietta betroffen hat, ist der höhnische, der materielle Beweis dafür, daß er diesen Weg nur alleine zurücklegen kann.
Und was das Sichschuldig-Bekennen betrifft: wenn er Antonietta in eine geschlossene Einrichtung geschickt hätte, dann hätte sich Luigi wirklich die Befähigung zu einer gewissen Schuldhaftigkeit angeeignet: nicht nur hinsichtlich der allein in der Phantasie existierenden Ehebrüche, deren ihn seine Frau beschuldigt, sondern auch jenes von ihm durchgeführten blasphemischen Versuchs, Antonietta zwingen zu wollen, ihr ureigenes Wesen zu verraten. In diesem Doppelspiel, das die Ehe nun einmal ist, in dieser täglichen Buchhaltung von Geben und Nehmen, kann Luigis Schuld gegenüber Antonietta niemals getilgt werden, weil sie in keiner Weise quantifizierbar ist. Er hat während seiner Verlobungszeit und in den ersten Jahren der Ehe versucht, eine einfache Gattin in eine Art geistige Krankenschwester umzuwandeln, die ihm die geeignete Medizin reichen könnte, damit er den Frieden der künstlerischen und geistigen Arbeiten erlangt, er hat sich sogar eine Zeitlang der Illusion hingegeben, daß dies geschehen sei: Ich habe endlich diese beiden höchsten Ideale miteinander verbinden können: die Liebe und die Kunst.
Antoniettas Gehirn hat aber statt dessen einen Kurzschluß gemacht, und dieser Blitz hat den Weg erleuchtet, nach dem Luigi gesucht hat.
STEFANO, LIETTA, FAUSTO
Luigi hatte der Kinder wegen sehr gelitten, die, noch klein, dem Fortschreiten der Krankheit der Mutter zusehen mußten, ohne zu verstehen, was da geschah. Oft wurden sie in aller Eile angezogen, voneinander getrennt und zu Freunden hier und Verwandten dort gebracht, in Erwartung, daß eine Krise ihrer Mutter vorübergehen würde, die bei ihnen sicher ungeheuere Angst
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