Untitled
auslöste, eben weil alles so unerklärlich war. Luigi hat über sie gewacht, so gut er konnte. Als sie anfangen, größer zu werden und eine eigene Persönlichkeit zu entwickeln, kann Pirandello wirklich eine tiefe Zufriedenheit über ihre noch zarten und unsicheren Neigungen empfinden: Stefano, der Erstgeborene, ist eindeutig für die Schriftstellerei bestimmt, während Fausto instinktiv und sehr natürlich der bildenden Kunst zuneigt.
Die beiden Jungen können sich ganz eindeutig nicht als vertauschte Söhne bezeichnen, auch weil ihr Vater sich vorgenommen hat, sich so zu verhalten, daß sie nie, aber auch wirklich nie das Gefühl haben müssen, anders zu sein als die Familie. Außerdem kann Fausto die Wiederaufnahme des unterbrochenen Diskurses mit der Malerei darstellen, mit dem Luigi ja ebenfalls begonnen hatte.
Pirandello hatte Lucio D'Ambra gegenüber geäußert: Ich bin kein geborener Bühnenschriftsteller. Vielmehr fühlte er sich als geborener Maler. Antonio Alessio hat dazu geschrieben:
»Wohin er auch ging, vor allem im Sommer, nahm er seine Farbenschachtel und hielt auf Holztäfelchen, mit denen er sich immer versorgte, die Impressionen fest, die die Natur in ihm wachrief, deren Schönheit er schätzte, doch noch wichtiger war es ihm, in ihre Bedeutung und ihr Geheimnis einzudringen. Die Beobachtung der Natur führte ihn eher zur Meditation als dazu, sich abzulenken. Einmal, als er einen dicht mit Bäumen bewachsenen Hang betrachtet und, anders als sonst, die Natur als dumm bezeichnet hatte, antwortete er jemandem, der ihn fragte, warum er sie dann male: ›Tja… gerade deswegen‹… und malte gleich darauf intensiv weiter.«
Er malte durchaus nicht wie ein (im positiven Sinn) Dilettant. Auf seinen Holztäfelchen, die im allgemeinen das Maß von fünfzehn mal zehn Zehntimetern hatten, ist nichts Naives zu erkennen, allenfalls die Anpassung an einen Zeitgeschmack (sein großer Freund Ugo Fleres, mit dem er sogar Malwettstreite austrug, wurde später der Direktor der Nationalgalerie für Moderne Kunst in Rom). Einige seiner Bilder waren in Rom während einer Gewerkschaftsausstellung am Trajansmarkt ausgestellt worden. Außerdem rezensierte Pirandello in den Jahren 1895-96 zahlreiche Ausstellungen in Tageszeitungen und Kunstzeitschriften.
Und was bleibt über Lietta zu sagen? Bereits als kleines Mädchen lebt sie ein aufopferungsreiches Leben. Sie geht mit der Mutter weg und begleitet sie beim Einkaufen. Das tut sie sowohl, um ihr zu helfen, aber auch, um sie unter Kontrolle zu halten. Von Rom kennt sie nicht viel mehr als die Geschäfte in unmittelbarer Nähe der Wohnung, sie hat keinen ihrem Alter angemessenen Zeitvertreib. Sie reift sehr schnell, sie wird sich ihrer Verantwortung und ihrer Pflichten sehr rasch bewußt. Sie so heranwachsen zu sehen, erfüllt Luigi mit Genugtuung und gleichzeitig mit Schmerz, für seine Lillinetta möchte er ein normales Leben, wie das der Mädchen in ihrem Alter. Und zu der überaus starken väterlichen Liebe fügt sich so etwas wie herzzerreißendes Mitleid, wie wehmütiges Verständnis, das die Beziehung zwischen beiden so fest zementiert, daß sie vor Antoniettas von Eifersucht verzerrtem Blick Argwohn erregt.
1915
Im Juli 1915 wird Stefano einberufen und geht möglicherweise im blutrünstigsten Augenblick des Krieges an die Front. Pirandello war für den Eintritt Italiens in den Krieg, und ich denke, es hätte - angesichts der patriotischen Vergangenheit sowohl seiner väterlichen wie mütterlichen Familie - gar nicht anders sein können. Doch die Abreise des Sohnes trifft ihn zutiefst, die Besorgnis über sein Schicksal zermürbt ihn Tag für Tag.
Bei solchen Gelegenheiten färbt sich sein väterliches Empfinden auch mit mütterlichen Tönen.
Seine Frau nimmt augenblicklich die Gelegenheit wahr, ihm neue gewalttätige Vorwürfe zu machen: nun nicht mehr wegen ihrer Eifersucht, sondern sie beschuldigt ihn, Stefanos Entfernung absichtlich betrieben zu haben. Die familiäre Situation wird von Tag zu Tag risikoreicher: eines nachts wacht Luigi plötzlich auf und sieht Antonietta neben seinem Bett stehen, die ihn mit einem Messer in der Hand anblickt.
Kurz nach Stefanos Einberufung erkrankt Luigis Mutter schwer. Ihre Kinder Lina und Giovanni eilen nach Porto Empedocle, Luigi sieht sich außerstande, mit ihnen zu fahren und vertraut ihnen einen Brief für Donna Caterina an.
Du, Mama, die Du mehr Mut hast als wir alle, Du, die soviel
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