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Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
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über den ›Wahnsinn‹: die Weigerung, Antonietta einzuliefern, bedeutet, ihr Recht zu geben (sich schuldig zu bekennen), indem man es ablehnt, an ihrem Verstand zu zweifeln; sie einliefern bedeutet, die Wahrheit ihrer Worte unumkehrbar anzuerkennen, und zwar in demselben Augen blick, in dem man behauptet, sie als falsch zu betrachten.«
      Gardair zufolge hat Pirandello also freiwillig die Wahl getroffen, »sich entfremden zu lassen«. Eine durchaus eindrucksvolle Hypothese, die allerdings nichts über die rationalen und emotionalen Gründe aussagt, die diese sogenannte Wahl herbeiführten. Im Gegenteil, wir glauben nicht, daß es sich um eine Wahl handelt, sondern um etwas Selbstauferlegtes, das auch die Gefahr einer möglichen Entfremdung in sich barg. Zudem schreibt Gardair, daß »die Weigerung, Antonietta einzuliefern, bedeutet, ihr Recht zu geben (also sich schuldig zu bekennen)«. Aber schuldig wessen? Der Vorwürfe des Treuebruchs, die ihm tagtäglich von seiner Frau gemacht wurden?
       Kaum war er allein, war es ihm, als würde er in sich, ganz lebendig, bei jedem Schritt… bei jeder Geste, jenes andere Ich entdecken, das in Frizzis krankhafter Vor stellungswelt lebte, dieses triste, verhaßte Gespenst, das ihn innerlich verhöhnte, indem es zu ihm sagte: »Ha, siehst du? Du gehst jetzt, wohin du Lust hast, du schaust jetzt hier hin und da hin, auch die Frauen schaust du an; jetzt lächelst du, jetzt bewegst du dich, und du glaubst, das ist ganz unschuldig? Weißt du nicht, daß das alles böse, böse, böse ist? Wenn sie das wüßte! Wenn sie dich s ähe! Dich, der du immer geleugnet hast, dich, der du ihr immer gesagt hast, es mache dir kein Vergnügen, irgendwo hinzugehen, in irgendein Lokal, Frauen anzuschauen, nicht zu lächeln… Aber weißt du was? Auch wenn du es nicht tust, glaubt sie trotzdem, du hättest es getan; daher tu's schon, tu's schon, ist doch ganz gleich!«
    Mit diesem Zitat aus Giustino Roncella geborener Boggiòlo (Giustino Roncella nato Boggiòlo) trägt Georges Piroué die Hypothese vor, daß »das Paar« (des Romans, doch als Projektion des Paares Luigi-Antonietta) »aus einem realen (Ich) besteht, das zu einem Gespenst geworden ist, und einem gespenstischen (Er), das real geworden ist. Und dies in jedem der beiden Ehegatten«.
      Aber dies alles scheinen mir Konsequenzen zu sein, Wirkungen, nicht die eigentlichen Ursachen.
    Sehen wir doch etwas genauer hin, wie das Paar Luigi
    Antonietta entstanden ist. Antonietta wurde Luigi als gutes »Geschäft« (dieses Wort stammt nicht von uns) präsentiert, als einzigartige »Ware«, weil sie dem Käufer das notwendige Geld für ihren Kauf anbot. Luigi witterte das Geschäft, das es ihm ermöglichen würde, vom Vater wirtschaftlich unabhängig zu werden, und unterschrieb. Wenn Luigi im Lauf der Zeit seine Frau weiterhin als Ware betrachtet hätte, und sei es auch als kostbare Ware, hätte er sie in dem Augenblick, in dem diese Ware beschädigt worden wäre, mit Sicherheit veräußert (man sehe mir diese unfreiwillige Ironie nach). Nun aber wollte und konnte Luigi Antonietta nicht einfach als WareEhefrau, als Kindergebärerin und Hausfrau betrachten. Er versuchte, sie in eine Gefährtin nicht nur für das Leben zu verwandeln, sondern vor allem für den Weg seiner Kunst. Er suchte also nach einem Mehrwert, den die Ware nicht hatte. Indessen wurde er unrettbar von Antoniettas Schönheit »ergriffen«, was dazu führte, daß der Ladung das zugefügt wurde, was nicht Teil der Ladung sein sollte: das Gefühl.
    Sciascia schreibt:
    »So ist Maria Antonietta Portolano: eine gute Ehefrau, welche die Magenschmerzen, die finanziellen Sorgen, den Groll für eine erlittene Ungerechtigkeit, wohl auch die blinde Eifersucht verstehen kann; doch sie kann nicht das Unwohlsein verstehen, das von den Gedanken und der Phantasie herrührt, die Besorgnis über eine Idee oder eine Figur, die man gestalten will, und die Freude, daß es einem gelungen ist.«
      Pirandello versucht über einige Jahre hinweg - auch auf terroristische Art - Antoniettas Umwandlung zu erreichen, bewirkt in ihr aber das Gegenteil, eine Art Verschlossenheit, Weigerung, die gewissermaßen zu einer Rückentwicklung führt. Als Luigi abläßt, findet sich Antonietta in eine Art Familienghetto verbannt, dafür bestraft, daß sie nicht in der Lage war, den von ihrem Ehemann geforderten Mehrwert zu erzeugen, der unterdessen »in eine ihr unbekannte Dimension entschwindet« (Sciascia),

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