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Natürlich wurde die Nachricht über die Geburt gleich telefonisch der Mama übermittelt und auch Tante Lina und der Familie mitgeteilt, und selbstverständlich auch Nonno, der nun noch einmal Urgroßvater geworden ist.
18. Juni 1922:
Ich bin bereits in der Zeit der Schulprüfungen, die mich beklemmen; und zusätzlich, als ob das alles noch nicht genug wäre, hat Nonno vor acht Tagen einen Gehirn schlag bekommen und ist dabei, von uns zugehen. Vielleicht wird er von uns gegangen sein, wenn Dich dieser Brief erreicht, armer Nonno!
2. Juli 1922:
Um das Leben unerträglicher zu machen, kommt zu Nonnos gesundheitlicher Situation jetzt auch noch die durch Artheriosklerose hervorgerufene Demenz. Physisch scheint er sich von dem Schlag erholt zu haben, aber er ist im Bett geblieben und wahnsinnig und treibt alle zum Wahnsinn, weil er Tag und Nacht schreit, wirres Zeug redet und sich gegen die medizinische Versorgung der Krankenschwester wehrt, die wir haben nehmen müssen (auf meine Kosten versteht sich) für tags und für nachts.
5. September 1922:
…die Steuern erhöhen sich, die Ausgaben für Nonno und die Krankenschwester erhöhen sich…
Luigi räumt in seinen Briefen dem Großvater von Lietta, Don Stefano, mehr Platz ein als seiner in eine Klinik eingewiesenen Frau. Oft rechtfertigt er sich damit, indem er sagt, über die Mama würden Stefano und Fausto schreiben, die, weil sie sie oft besuchten, besser über alles Bescheid wüßten als er. Doch die Situation mit dem Vater entwickelt sich sehr schnell.
5. Januar 1923:
Ich bin in Mailand gewesen, um mit der Nationalen
Theatercompagnie Ruggeri-Borelli-Talli Die Nackten kleiden auf die Bühne zu bringen. Ich war bei den Proben, als mich wie ein Blitz ein Telegramm von Stefano erreichte, mit dem mir Nonnos Flucht aus der Wohnung seiner Tochter Lina (ich will sie nicht mehr Schwester nennen) und die Invasion meines Bettes durch den »Autor meiner Tage« mitgeteilt wurde; Aufforderung also, gleich nach Rom zurückzukehren, für die Maßnahmen in diesem Fall. Ich komme zurück und finde das Schauspiel vor, das Du Dir wohl vorstellen kannst. Die Vorkommnisse unten, während meiner Abwesenheit, waren furchtbar beschämend und abgeschmackt. Nonno sagt, er habe Monate und Monate die bösartige Behandlung der Tochter und der beiden Enkelinnen hinuntergewürgt. Man darf nicht alles für bare Münze nehmen, was er sagt, denn eigentlich ist der Arme inzwischen verdummt und von Altersdemenz heimgesucht. Aber es ist unstrittig, daß ihn unten niemand ausstehen konnte und man mit der Sonderernährung herumknauserte, die der Arzt ihm nach dem Schlag verordnet hatte: und für die bin ich insgesamt aufgekommen. Stell' Dir vor, statt der Brühe hatte man ihm Wasser mit einem Hauch von Butter verabreicht, aus einem einzigen Eidotter wurden zwei Tassen Creme gemacht (das übrige war Mehlzugabe); und das gesamte Kochobst hatte in einer Untertasse von der Größe zweier Geldmünzen Platz. Unter dem Strich gaben sie für ihn zwischen achteinhalb bis neun Lire aus, von mir aber nahmen sie zehn. Der Streit zwischen Nonno und seiner Tochter brach in seiner ganzen Gewalt über einen völlig vordergründigen Vorwand aus: über eine Truhe, die Linuccia in dem kleinen Zimmer abstellen wollte, in dem Nonno schlief. Wutausbrüche, Ungeheuerlichkeiten, Flüche, Schmähungen.
Nonno sagt, er sei aus der Wohnung geworfen worden; die Tochter sagt, er sei es gewesen, der gehen wollte, und daß er jetzt, ein für allemal, keinen Schritt mehr in ihre Wohnung setzen darf, anderenfalls geht sie. Tatsache ist, daß ich Nonno in meinem Zimmer installiert vorgefunden habe. Ich habe gleich Onkel Giovanni telegrafiert, um einen Familienrat einzuberufen und zu entscheiden, was gemacht werden muß, denn in meiner Wohnung gibt es keinen Platz, um noch jemanden dort logieren zu lassen, und ich kann Fausto nicht dazu verdonnern, an meiner Stelle auf dem Boden zu schlafen wie ein Hund. Den Hund wollte ich zwar machen, aber Fausto hatte das nicht zugelassen: er hat mir sein Bett und sein Zimmer gegeben.
Inmitten dieser ganzen Herrlichkeit ist dann auch noch Olindas Entbindung am ersten Tag des Jahres gewesen… Ein ganz bezauberndes Mädchen… Die unten haben begriffen, daß ich Nonno unmöglich bei mir behalten kann, und wollen ihn in ein Altersheim geben. Aber wie Du wohl verstehen kannst, ist es mir verhaßt, einen alten Mann von 87 Jahren aus dem Haus zu geben.
Auch wenn man nicht
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