Untitled
immer noch hart und autoritär, immer aufrecht in seiner hochgewachsenen rüstigen Gestalt, diese abendliche Ablenkung forderte, und so bürdete sich Pirandello selbst die Langweiligkeit dieses Spiels auf und auch die Verpflichtung, regelmäßig zu verlieren, um nur ja nicht die Unzufriedenheit des alten Mannes zu wecken«.
Und wenn er gezwungen war, sich wegen der Aufführung eines Stücks von Rom zu entfernen, legte er vor seiner Abreise seinen Freunden mehrere Male ans Herz, den Vater zu besuchen und ihm ein bißchen Gesellschaft zu leisten.
Gibt es einen »echteren«
Vater? Gibt es einen »echteren«
Sohn?
Daher ist wohl auch der Augenblick gekommen, das zu tun, was er als die letzte Geste der Befreiung ansieht: die Niederschrift von Maria Stellas weit zurückliegender Geschichte. Es ist eine ganz kurze Erzählung nur und trägt den Titel De r vertauschte Sohn (Il figlio cambiato), die mit anderen Erzählungen in einem Band 1925 erschienen ist. In ihr gibt es ein erzählendes Ich, einen Skeptiker, der den herzzerreißenden Schmerz einer Mutter miterlebt, die vergebens von anderen Müttern zu trösten versucht wird, die blind an diese magischen Künste glauben. Die Erzählung fährt fort mit der Mutter, die sich voller Verzweiflung zu einer Hexe begibt, Vanna Scoma, um Nachrichten über den anderen Sohn zu erhalten, den richtigen, echten, ihren Sohn, der ihr weggenommen wurde. Die Hexe versichert ihr, daß es dem anderen Sohn gut gehe und es ihm auch weiterhin gut gehen werde, wenn sie den behinderten Sohn gut behandle, der ihr anstelle des anderen zurückgelassen wurde. Was die Mutter auch tut, und hin und wieder kam, nicht mehr gefragt, nicht mehr gesucht, im Lauf der Zeit V anna Scoma, um ihr Nachrichten zu überbringen und etwas Eßbares aus ihr herauszuholen: angenehme Nachrichten., daß ihr Sohn schön und gesund aufwachse und daß er glücklich sei.
Don Stefano Pirandello stirbt in Rom, in der Wohnung des Sohnes Luigi, im Juni 1924.
Luigi kümmert sich selbst um die Einzelheiten der Trauerzeremonien, die mit einer gewissen Feierlichkeit durchgeführt werden sollen, dabei liegen die vier Garibaldi-Medaillen des Vaters deutlich sichtbar aus. Er wird auf dem Friedhof des Verano in der Familiengruft beigesetzt, neben seinem Schwager Rocco Ricci Gramitto, seinem Waffengefáhrten. Erst beim Tod des Vaters versöhnt sich Luigi wieder mit seiner Schwester Lina, schuldig - in seinen Augen -, daß sie Don Stefano Unrecht angetan hat.
DIE GRIECHISCHE VASE
Eines Tages - Luigi war schon einigermaßen groß - hatte Don Stefano eine wunderschöne griechische Vase mit nach Hause gebracht, die er von einem Bauern gekauft hatte. Der hatte sie völlig unversehrt gefunden, als er auf den Feldern im Umland von Girgenti grub. Eine außerordentlich schöne Vase, in die Luigi sich auf der Stelle verliebte. Don Stefano versprach ihm, daß er sie ihm eines Tages schenken würde. Doch sie kam erst nach dem Tod von Don Stefano in Rom an, in den ersten Julitagen des Jahres 1924. In diese Vase wird später Luigis Asche verschlossen werden.
DIE VERÄNDERUNG
Gleich nach Don Stefanos Tod beobachten die Verwandten, daß in Luigis Wesen offenkundig etwas vor sich geht. Er reagiert gereizter, er verschließt sich mehr, oft verbringt er seine Nächte wach und geht nervös umher. In der unteren Etage nimmt man wahr, daß er sich ruhelos bewegt, gelegentlich hören sie ihn laut mit einem nicht existenten Gesprächspartner diskutieren. Redet er mit dem Vater? Erklärt er ihm, warum er so lange geglaubt hat, ein vertauschter Sohn gewesen zu sein?
Seine Nichte Pina schreibt an ihre Verwandten, die in Viareggio ihre Ferien verbringen:
»Onkel Luigi ist skeptisch geworden, bitter und zutiefst verärgert über das Leben… er findet nie Ruhe und hält sich nicht einmal die überaus großen Befriedigungen vor Augen, die ihm seine Kunst beschert. Verwundert nehmen wir in der Familie auf der oberen Etage die ständigen Aufgeregtheiten wahr, die quälend und wechselhaft sind…«
Renata Marsili Antonetti, deren Großmutter Lina war, Luigis Schwester, bemerkt zu diesem Brief Pinas:
»Hier haben wir die erste, hellsichtige Nachricht über Pirandellos Veränderung nach dem Tod seines Vaters.«
DIE WIEDERHOLUNG: LIETTA
Um die Zustimmung ihres Vaters für eine Eheschließung zu bekommen, mußte Lietta einwilligen, daß ihr zukünftiger Ehemann sich einem sehr genauen Wunsch Luigis unterwarf, worauf er sein Ehrenwort
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