Untitled
Sixteen sein? Jetzt brauchte sie sich keine Gedanken mehr über den Country Club und Sauberstadt zu machen. Nie mehr. Aus. Vorbei. Verbrannt. Jemand rannte vorüber und brabbelte, daß die Carlin Street in Flammen stehe. Gut für die Carlin Street. Tommy war nicht mehr. Und Carrie war nach Hause gegangen, um ihre Mutter umzubringen.
Sie setzte sich kerzengerade auf und starrte in die Dunkelheit.
Sie wußte nicht, woher sie wußte. Das hatte keinerlei Ähnlichkeit mit dem, was sie je über Telepathie gelesen hatte. In ihrem Kopf tauchten keine Bilder auf, keine weißen Blitze der Offenbarung, nur ganz prosaisches Wissen. So, wie man weiß, daß auf den Frühling der Sommer folgt, daß man an Krebs sterben kann, daß Carries Mutter bereits tot war, daß
Ihr Herz schlug zum Zerspringen. Tot? Sie erforschte ihr Wissen über die Vorfälle, versuchte, sich gegen die beharrliche Schicksalsverstrickung zu wehren.
Ja, Margaret White war tot. Hat irgend etwas mit ihrem Herzen zu tun. Aber sie hatte Carrie niedergestochen. Carrie war schwer verletzt. Sie war
Nichts mehr.
Sie stand auf und rannte zum Auto ihrer Mutter zurück. Zehn Minuten später parkte sie an der Ecke Branch und Carlin Street, die lichterloh brannte. Es standen keinerlei Feuerwehrautos zur Verfügung, um den Brand zu löschen, aber man hatte Sägeböcke an beiden Enden der Straße quer gestellt, und blakende Lampen beleuchteten ein Schild, auf dem stand:
GEFAHR! HOCHSPANNUNGSLEITUNGEN!
Sue eilte durch zwei Hintergärten und kämpfte sich durch eine Hecke, die ihre Haut mit kleinen, scharfen Stacheln zerkratzte. Sie kam in dem Garten neben dem der Whites heraus und ging hinüber.
Das Haus stand in Flammen, das Dach rauchte. Es war unmöglich, näher heranzukommen. Aber im hellen Flammenschein konnte sie etwas sehr deutlich erkennen: Carries Blut spur. Sie folgte ihr mit gesenktem Kopf, an größeren Blutflekken vorbei, wo Carrie angehalten hatte, durch eine weitere Hecke, durch den Hintergarten eines Hauses in der Willow Street und dann durch ein Gestrüpp aus Büschen und kleinen Eichen. Dahinter schlängelte sich ein kurzer Weg kaum mehr als ein Fußpfad die Anhöhe hinauf zur Route 6.
Sie blieb plötzlich stehen, als ihr Zweifel kamen. Angenommen, sie fand Carrie? Was würde ihr dann passieren? Herzversagen? Verbrennen? Würde sie gezwungen, vor einem ankommenden Auto oder einem Löschfahrzeug herzulaufen? Was sie inzwischen über Carrie wußte, sagte ihr, daß sie zu alldem imstande sein würde.
(einen Polizisten suchen)
Sie mußte über diesen Einfall kichern und setzte sich in das vom Tau feuchte Gras. Sie hatte ja bereits einen Polizisten gefunden. Und selbst wenn Otis Doyle ihr geglaubt hätte, was dann? Ein Bild erschien vor ihrem inneren Auge: Hundert verzweifelte Kopfjäger umringen Carrie und befehlen ihr, aufzugeben und ihre Waffen auszuhändigen. Carrie hebt folgsam die Hände und nimmt sich den Kopf von den Schultern. Überreicht ihn Sheriff Doyle, der ihn mit ernster Miene in einen Strohkorb legt.
(und Tommy ist tot)
Sie begann zu weinen. Sie schlug die Hände vors Gesicht und schluchzte. Ein leichter Windhauch strich durch die Wacholderbüsche auf dem Hügel. Feuerwehrwagen rasten auf der Route 6 wie große tote Hunde vorbei,
(die Stadt brennt das ist gut)
Sie wußte nicht, wie lange sie so gesessen und geweint hatte. Ihr wurde nicht einmal bewußt, daß sie Carries Spur zum Kavalier folgte, ebensowenig wie sie sich darüber im Klaren war, daß sie atmete. Carrie war sehr schwer verletzt, aber sie strebte mit brutaler Entschlossenheit ihrem Ziel entgegen. Es waren drei Meilen bis zum Kavalier hinaus, selbst wenn man, wie Carrie, querfeldein ging. Sue
(beobachtete? verfolgte in Gedanken? spielte keine Rolle)
wie Carrie in einen Bach fiel und eiskalt und fröstelnd wieder hinauskletterte. Es war wirklich erstaunlich, daß sie immer weiterging. Aber natürlich geschah es für Momma. Momma wollte, daß sie der Engel mit dem Feuerschwert war, daß sie zerstörte
(sie wird das auch zerstören)
Sue stand auf und begann schwerfällig zu rennen, ohne sich weiter um die Blutspur zu kümmern. Das war jetzt nicht mehr nötig.
Als der Schatten explodierte (S. 164-165):
»Was man auch über den Fall Carrie White denken mag, es ist vorbei. Es ist Zeit, sich der Zukunft zuzuwenden. Wie Dean McGuffin in seinem ausgezeichneten Artikel
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