Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
Vom Netzwerk:
ihre goldbraunen Augen glitzerten trä
nenfeucht. »Wenn Sie mich zu trösten versuchen, Kapitän, dann nehme ich an, daß Sie damit Erfolg haben.«
    »Ich werde noch mehr Erfolg haben, wenn Sie mir die Chance geben«, sagte er, obwohl er eigentlich nichts hatte sagen wollen. Er hatte auch nicht mehr nach ihren Händen greifen wollen, aber sie entzog ihm ihre Hände nicht.
    Arflane dachte an die Umarmung auf dem Eis, und seine Stimme klang fast mürrisch bei den Worten: »Ich liebe Sie …« Sie brach in Tränen aus, entzog ihm ihre Hände und preßte sich an ihn. Er hielt sie fest, streichelte ihr langes, weiches Haar, küßte ihre Stirn und ihre Schultern. Er war sich kaum bewußt, daß er sie hochhob, um sie in ihr Schlafzimmer zu tragen. Als er sie auf die weißen Bettfelle gelegt hatte, richtete er sich nicht mehr auf und wußte, daß er seine Gefühle nicht mehr unter Kontrolle hatte. Er küßte ihren Mund. Ihre Arme umschlangen seinen Hals, als sie seinen Kuß erwiderte. Er wußte längst, daß er in dieser Nacht gegen ein Gesetz verstoßen würde, das ein elementarer Bestandteil seiner Welt war, aber er wußte auch, daß ihn nichts in der Welt davon abgehalten hätte.

    9

    Am nächsten Morgen sah er in seiner Person einen Heuchler, Betrüger und Dieb. Er versuchte, sich mit seiner neuen Rolle abzufinden, doch worüber er nicht hinwegkam, war sein Wissen, daß er sich eine Frau gefügig gemacht hatte zu einem Zeitpunkt, in der ihr Kummer sie moralisch geschwächt hatte. Doch was geschehen war, war geschehen, und er mußte jetzt überlegen, was als nächstes zu tun war.
    Sie schlief offenbar noch. Ihr Gesicht war unter den Pelzdekken kaum zu sehen. Er verließ sie nicht gern, wenn er daran dachte, was ihr blühte, falls man sie des Ehebruchs überführte. Im schlimmsten Fall würde man sie auf dem Eis aussetzen, oder sie wurde aus allen acht Städten verbannt, was ebenfalls einem Todesurteil gleichzusetzen war.
    Jetzt öffnete sie die Augen und lächelte ihm zärtlich und unsicher zugleich zu.
    »Ich gehe jetzt«, flüsterte er. »Wir unterhalten uns später.«
    Sie richtete sich im Bett auf, wobei die Pelzdecke von ihren Schultern rutschte. Er bückte sich, küßte sie und griff nach ihren Händen, als sie ihre Arme um ihn legen wollte. »Was wirst du jetzt tun?«
    »Ich weiß es noch nicht genau. Ich dachte daran, wieder nach Brershill zurückzukehren.«
    »Janek würde deine Stadt auseinanderreißen, wenn er uns findet. Viele Menschen würden dabei sterben.«
    »Ich weiß … Würde er sich von dir scheiden lassen?«
    »Er besitzt mich deshalb, weil ich die ranghöchste Frau von Friesgalt bin. Weil ich reich und schön bin und gute Manieren habe.« Sie zuckte die Achseln. »Er würde sich nur dann von mir scheiden lassen, wenn ich mich weigere, seine Gäste zu unterhalten. Wenn ich ihm hingegen die Liebe verweigere, so ist das für ihn durchaus kein Scheidungsgrund.«
    »Was können wir dann tun? Ich glaube nicht, daß ich ihn noch lange täuschen kann.«
    Sie nickte. »Das bezweifle ich auch.« Sie sah ihn lächelnd an. »Aber wenn du mich mitnehmen würdest – wohin sollen wir gehen?«
    »Nach New York. Du erinnerst dich an den Wortlaut des Te
staments.«
»Ja … New York.«
    »Darüber unterhalten wir uns, sobald wir Gelegenheit dazu haben. Ich muß gehen, bevor die Dienstboten kommen.« Keinem von beiden war es in den Sinn gekommen, die Tatsache in Frage zu stellen, daß Ulrica Janek Ulsenns Eigentum war, so wenig er sie auch verdient haben mochte. Doch jetzt, als er sich verabschiedete, griff sie nach seinem Arm und sagte ernst: »Ich werde immer dir gehören. Denke stets daran.« Er murmelte etwas und ging zur Tür. Er zog sie vorsichtig auf und blickte in den Korridor hinaus. Dann schloß er die Tür hinter sich. Als er an Ulsenns Zimmer vorbeiging, hörte er den neuen Lord von Friesgalt in seinem Bett stöhnen.

    Während des Frühstücks tauschten sie nur verstohlene Blicke miteinander. Sie saßen sich am Tisch gegenüber; Manfred Rorsefne saß in der Mitte. Sein gebrochener Arm war bandagiert, aber Manfred schien so beschwingt zu sein wie immer. »Ich habe gehört, daß mein Onkel Ihnen schon zu Lebzeiten den Auftrag erteilte, mit der Ice Spirit nach New York zu segeln«, sagte er zu Arflane. »Stimmt das?« Arflane nickte.
    »Und waren Sie damit einverstanden?« fragte Manfred.
    »Zum Teil«, entgegnete Arflane und widmete seiner Mahl
zeit eine stärkere Beachtung als nötig. Manfreds

Weitere Kostenlose Bücher