Untitled
seiner Stimme mitschwang, konnte sie aber nicht verbergen.
»Ich meine, was ich jetzt sage, Kapitän. Und wenn Sie Respekt vor den alten Traditionen haben, werden Sie sich danach richten, wenn ich Sie bitte, mir aus dem Weg zu gehen.« »Nein!« Arflane schrie es ärgerlich hinaus.
Ulrica trat zurück. Ihr Gesicht war erstarrt, die Augen blickten kalt. Er streckte langsam eine Hand nach ihr aus, zog sie aber, ebenso langsam, wieder zurück. Dann trat er zur Seite, um sie vorbeizulassen.
Sie öffnete die Tür. Er wußte nun, daß sie sich nur nach ihrem Gewissen und keiner dritten Person richtete. Und er würde ihre Entscheidung niemals erfolgreich anfechten können. Er blickte ihr nach, als sie langsam den Korridor entlangging. Dann schlug er die Tür so heftig zu, daß das Schloß brach. Er rannte in sein Zimmer und begann seine Habseligkeiten zusammenzupacken. Er mußte sich nach ihren Anweisungen
richten und würde sie nicht wiedersehen, nicht bis das Schiff zum Auslaufen bereit war. Er würde sofort auf der Ice Spirit Quartier beziehen und mit seiner Arbeit beginnen.
Er schwang sein Gepäck über die Schulter und eilte die gewundenen Korridore entlang zum Ausgang. Wilde Gedanken wirbelten in seinem Hirn herum, und er hatte den Wunsch, in die frische Luft zu kommen, weil er hoffte, daß die Kälte an der Oberfläche seinen Verstand reinigen würde.
Er hatte gerade diesen Entschluß gefaßt, als er im Korridor mit Manfred Rorsefne zusammentraf.
»Was haben Sie vor, Kapitän?« Der junge Mann musterte ihn belustigt.
Arflane starrte ihn verärgert und hilflos zugleich an.
»Oh, Sie wollen uns verlassen, Kapitän … Gehen Sie schon zur Ice Spirit? Ich dachte, Sie würden erst morgen –« »Heute«, unterbrach ihn Arflane und gewann einen Teil seines Selbstbewußtseins zurück. »Heute. Ich werde bis zum Auslaufen an Bord schlafen. Das ist am besten.«
»Vielleicht«, sagte Manfred Rorsefne, mehr zu sich selbst. Dann blickte er dem großen, bärtigen Kapitän nach, der mit raschen Schritten hinter der nächsten Biegung des Korridors verschwand.
10
Konrad Arflane war über die Wandelbarkeit seines eigenen Charakters erschüttert. Er hätte es nie für möglich gehalten, daß er eines Tages all seine Prinzipien über Bord werfen würde, um die Frau eines anderen Mannes zu besitzen.
Er schlief sehr schlecht. Seine Gedanken kehrten ständig zu Ulrica Ulsenn zurück. Noch immer hatte er insgeheim die Hoffnung nicht aufgegeben, daß sie ihn aufsuchen würde, und er wurde ärgerlich, als sie nichts von sich hören ließ. Er stolzierte auf dem Deck des Schoners herum, brüllte wegen geringfügiger Einzelheiten die Mannschaft an und entließ Leute, die er tags zuvor angeheuert hatte. Er stauchte in Gegenwart der Besatzungsmitglieder seine Offiziere zusammen, verlangte, über die kleinsten Kleinigkeiten unterrichtet zu werden, und wurde wütend, wenn die Offiziere sich strikt nach seinen Anweisungen richteten.
Er genoß den Ruf, ein besonders guter Kapitän zu sein, ernst und distanziert, aber unbedingt fair. Die Walfänger, die er ausgesucht hatte, hatten gar nicht rasch genug auf den Schoner Ice Spirit kommen können, obwohl ihnen das Ziel der Reise weitgehend unbekannt war. Doch nun bedauerten viele Leute ihren Entschluß.
Arflane hatte drei Offiziere ernannt. Zunächst Petchnyoff, dann den alten Kristoff Hinsen und als Dritten Offizier Long Lance Urquart. Urquart war die schlechte Laune des Kapitäns gleichgültig, aber die beiden anderen Männer wunderten sich über die plötzliche Unberechenbarkeit ihres neuen Kapitäns. War Urquart nicht in der Nähe, was häufig der Fall war, diskutierten sie eifrig darüber. Beide hatten Arflane auf Anhieb sympathisch gefunden. Petchnyoff hatte Respekt vor seinen Fähigkeiten und seiner Willensstärke, Kristoff Hinsen kannte ihn schon aus der Zeit, in der Arflane sein Rivale gewesen war. Doch keiner von beiden kannte den Grund, der Arflane in einen Choleriker verwandelt hatte. Immerhin war ihr Vertrauen zu ihm noch unerschüttert; sie fanden sich mit seinen Launen ab in der Hoffnung, daß seine Stimmung, wenn sie erst einmal unterwegs waren, sich bessern würde. Dann würde er wieder der Mann sein, den sie früher kennengelernt hatten. Petchnyoffs Geduld wurde in den folgenden Tagen einer harten Zerreißprobe unterworfen. Er spielte schon mit dem Gedanken, sein Kommando abzugeben, doch Hinsen überredete ihn, noch ein wenig länger zu warten.
Der gewaltige Schoner war
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