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Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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sei, wenn der Erste Offizier sich beleidigt fühlte, war nun mal nichts zu machen. Er konnte diese Rolle weiterspielen, wenn er nur pflichtgemäß seine Aufgaben erfüllte.
    »Sie wissen offenbar nicht, was Ihre Leute von Ihnen behaupten, Kapitän«, sprach Ulsenn weiter.
    Arflane lehnte sich an die Reling und tat, als beobachte er die vorbeirasende Steuerbordeisfläche. »Die Besatzungsangehörigen meckern ständig über den Kapitän. Was sie sagen, ist überhaupt nicht wichtig, sofern es sich nicht ungünstig auf die Arbeitsmoral der Leute auswirkt. Ich habe schließlich Walfänger angeheuert, Lord Ulsenn. Wilde Walfänger. Darum habe ich auch von vornherein damit gerechnet, daß sie sich beschweren werden.«
    »Sie sagen, daß ein Fluch über Ihnen schwebt«, murmelte Ulsenn, Arflane von der Seite anblickend.
    Arflane lachte. »Sie sind abergläubisch. Sie glauben an so etwas, glauben sogar gern daran. Sie würden keinem Kapitän folgen, der keinen irgendwie – sagen wir bunten Charakter hat. Das kommt ihrem Sinn für das Dramatische entgegen. Beruhigen Sie sich, Lord Ulsenn. Gehen Sie in Ihre Kabine zurück und schonen Sie Ihre Beine.«
    Ulsenns Gesicht verzerrte sich vor Zorn. »Sie sind ein impertinenter Flegel, Kapitän!«
    »Ich bin aber stark, Lord Ulsenn. Ich bin der Leiter dieser Expedition, und jeder Versuch, meine Autorität zu untergraben, wird in der üblichen Weise gesühnt.« Arflane sagte das absichtlich hart. »Wollen Sie nun die Güte haben, die Brücke zu verlassen?«
    »Was wird, wenn die Offiziere und Mannschaftsmitglieder mit Ihrem Kommando nicht zufrieden sind?« Ulsenn beugte sich vor. »Wenn die Leute das Gefühl haben, daß Sie mit diesem Schoner nicht richtig umgehen können?«
    Arflane ließ sich nicht aus seiner wiedergewonnenen Ruhe bringen und antwortete lächelnd: »Keine Angst, Lord Ulsenn. Die Leute könnten natürlich meutern, aber das wäre sehr unklug. Sie können mich auch dazu überreden, von meinem Posten zurückzutreten. Im letzteren Fall würde die Expedition beendet sein; sie müßten sofort Kurs auf eine befreundete Stadt nehmen und dort einen Bericht abgeben.« Arflane machte eine ungeduldige Geste. »Wirklich, Sir, Sie müssen sich ein für allemal mit meinem Oberkommando abfinden. Wir haben eine sehr, sehr lange Reise vor uns, und so sollten Konflikte dieser lächerlichen Art vermieden werden.« »Sie haben diesen Konflikt angefacht, Kapitän.«
    Arflane verzichtete auf eine Antwort und zuckte nur geringschätzig die Achseln.
    »Ich habe das Recht, die Korrektheit Ihrer Befehle anzuzweifeln, sofern sie nicht dem besten Interesse dieser Expedition dienen«, fuhr Ulsenn fort.
    »Und ich habe das Recht, Sir, Sie aufzuhängen, wenn sie gegen meine Befehle angehen. Ich werde die Leute noch einmal darauf aufmerksam machen, daß sie sich ausschließlich nach meinen Befehlen zu richten haben. Das bringt Sie einigermaßen in Verlegenheit, wie?«
    Ulsenn stieß einen Schnauf laut aus. »Sie sind sich doch darüber im klaren, daß sich der größte Teil der Besatzung, einschließlich der Offiziere, aus Friesgaltern zusammensetzt. Man wird in erster Linie auf mich hören und nicht auf Sie, den Fremden.«
    »Schon möglich«, sagte Arflane unerschüttert. »In jedem Fall habe ich das Recht, jeden Aufwiegler entsprechend zu bestrafen, und zwar in Worten oder in Taten.«
    »Sie kennen Ihre Rechte, Kapitän«, gab Ulsenn sarkastisch zu. »Aber Ihnen wurden diese Rechte nur übertragen. Meine Rechte hingegen sind natürlich. Die Männer von Friesgalt unterstehen dem Lord von Friesgalt.«
    Hinsen, der neben Arflane stand, lachte plötzlich auf – ein völlig unerwarteter Laut. Beide Männer sahen ihn groß an. Hinsen blickte zur Seite und fuhr mit seinem Handschuh über
    den Mund.
    Ulsenn war völlig aus dem Konzept gebracht. Arflane griff nach seinem Arm, führte ihn zur Kajütentreppe und sagte: »Über die Rechte läßt sich streiten, Lord Ulsenn, aber ich habe die Pflicht, auf diesem Schoner für Disziplin zu sorgen.« Er deutete Hinsen an, Ulsenn behilflich zu sein, doch als Hinsen nach Ulsenns Arm greifen wollte, schüttelte dieser ihn ab und hinkte mit ungeheurer Willensanstrengung allein über das Deck.
    Hinsen grinste Arflane an. Der Kapitän schürzte mißbilligend die Lippen. Der Himmel war jetzt hell, und die letzten Wolkenfetzen verschwanden.
    Der Schoner lief glatt. Arflane blickte nach vorn. Die Spannung war von der Mannschaft gewichen. Die Leute standen gruppenweise

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