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Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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auf dem Deck herum und unterhielten sich. Da sah er Long Lance Urquart auf die Brücke zukommen.

    12

    Leicht verwundert sah Arflane den Harpunier zum Achterdeck heraufsteigen. Vielleicht wußte Urquart, daß die Laune des Kapitäns sich gebessert hatte und er sich nun mit ihm unterhalten konnte. Der Harpunier nickte Hinsen kurz zu, nahm vor Arflane Aufstellung und stützte sich auf seine schwere Harpune. Die klaren, blauen Augen sahen Arflane unverwandt an, das hagere, rote Gesicht war so unbeweglich wie immer. Seine Gestalt strömte einen leichten Trangestank aus.
    »Nun, Sir.« Seine tiefe Stimme hatte einen schroffen Klang. »Wir sind unterwegs.«
    »Und Sie möchten wissen, wohin die Reise geht, Urquart?« fragte Arflane impulsiv. Er beantwortete die Frage selbst. »Nach New York.«
    Hinsen, der hinter Urquart stand, zog verwundert seine Augenbrauen empor. »New York!«
    »Das ist vertraulich«, ermahnte ihn Arflane. »Nur die Offiziere sollen es vorerst wissen.«
    Ein Lächeln breitete sich über Urquarts hagerem Gesicht aus. Als er seine Harpune herumdrehte und deren Spitze ins Deck stieß, schien es sich dabei um eine zustimmende Geste zu handeln. Das Lächeln verschwand rasch aus seinem Gesicht, aber die blauen Augen blitzten heller. »Dann segeln wir also zur Mutter des Eises, Kapitän …« Er stellte nicht die Existenz der mythischen Stadt in Frage, aber Hinsens altes Gesicht legte sich in skeptische Falten.
    »Warum segeln wir nach New York, Sir? Oder ist es der Sinn dieser Expedition zu entdecken, ob diese Stadt wirklich existiert?«
    Arflane, der noch Urquart betrachtete, antwortete geistesabwesend: »Lord Pyotr Rorsefne entdeckte die Stadt, wurde aber frühzeitig zur Umkehr gezwungen. So konnte er sie nicht erforschen. Wir haben die Karten an Bord. Ich für meine Person glaube, daß diese Stadt wirklich existiert.«
    »Die Residenz der Mutter des Eises?« fragte Hinsen mit einem Anflug von Spott.
    »Das werden wir erfahren, wenn wir dort sind, Hinsen.« Arflane konzentrierte seine Aufmerksamkeit für einen Moment auf den Zweiten Offizier.
    »Die Mutter des Eises wird dort sein«, sagte Urquart im Brustton der Überzeugung.
    Arflane musterte den großen Harpunier und wandte sich wieder an Kristoff Hinsen. »Denken Sie daran, Hinsen, ich habe Ihnen das unter dem Siegel der Verschwiegenheit erzählt.« »Aye, aye, Sir«, sagte Hinsen und fügte nach kurzem Schweigen höflich hinzu: »Wenn Urquart sich allein mit Ihnen unterhalten möchte, Sir, dann mache ich jetzt eine Runde.« »Tun Sie das, Hinsen. Ich danke Ihnen.«
    Als Hinsen die Brücke verlassen hatte, standen die beiden
Männer sich eine Weile schweigend gegenüber. Schließlich
zog Urquart die Spitze seiner Harpune aus dem Deck und ging
auf die Reling zu. Arflane folgte ihm.
»Sind Sie zufrieden, Urquart?«
»Ja, Sir.«
    »Glauben Sie wirklich, daß wir dort die Mutter des Eises finden werden?«
    »Glauben Sie es nicht, Kapitän?« lautete die Gegenfrage.
    »Vor drei Monaten, Urquart, da glaubte ich es noch. Doch jetzt …« Er sprach den Satz nicht zu Ende. »Die Wissenschaftler sind anderer Meinung. Es heißt, daß die Mutter des Eises stirbt.«
    Urquart verlagerte sein Körpergewicht. »Dann braucht sie
unsere Hilfe, Sir. Vielleicht segeln wir deshalb. Vielleicht ist es
Schicksal. Vielleicht hat sie uns gerufen.«
»Vielleicht«, sagte Arflane skeptisch.
    »Ich bin davon überzeugt, Kapitän. Pyotr Rorsefne war ihr Bote. Er wurde zu Ihnen geschickt. Darum haben Sie ihn auf dem Eis gefunden. Und als er uns die Nachricht übermittelt hatte, starb er. Sehen Sie das nicht ein, Sir?«
    »Es könnte zutreffen …« Doch Urquarts Mystizismus verwirrte selbst einen Mann wie Arflane. Vor gar nicht langer Zeit war er der gleichen Überzeugung gewesen. Er blickte den Harpunier forschend an und sah den Fanatismus in seinen Augen blitzen. Dann schüttelte er traurig den Kopf.
    »Ich bin nicht mehr der Mann, der ich einmal war, Urquart.« »Nein, Sir.« Urquart schien Arflanes Trauer zu teilen. »Aber Sie befinden sich auf dieser Reise und werden Ihren Glauben zurückgewinnen. «
    Arflane machte einen Rückzieher, weil er diese Vertraulichkeit störend fand, und sagte: »Vielleicht habe ich diesen Glauben auch nie mehr nötig, Urquart.«
    »Vielleicht haben Sie ihn gerade jetzt am dringendsten nötig,
    Sir.«
    Arflanes Ärger verflog. »Ich möchte wissen, was mit mir geschehen ist«, murmelte er nachdenklich. »Vor drei Monaten …«
    »Vor drei Monaten

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