Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
Vom Netzwerk:
kannten Sie die Rorsefne-Familie nicht, Kapitän.« Urquart sagte es mürrisch, doch mit einer gewissen Sympathie. »Die Schwäche der Rorsefnes hat Sie angesteckt.« »Soviel mir bekannt ist, fühlen Sie sich in gewissem Sinne für die Rorsefnes verantwortlich«, sagte Arflane überrascht. »Ich möchte sie am Leben erhalten, wenn Sie das meinen«, entgegnete Urquart zurückhaltend. »Es ist der Wille der Mutter des Eises. Sie brauchten die Familie, um das Schiff zu bekommen. Vermeiden Sie von jetzt an die Nähe der Passagiere, Kapitän. Sie sind schwach. Auch der alte Rorsefne war zu milde, doch er war besser als alle Rorsefnes, die noch leben …«
    »Sie sagen, es war die Mutter des Eises«, murmelte Arflane. »Aber ich denke, es war eine andere Kraft, die auch geheimnisvoll ist.«
    »Denken Sie, was Sie wollen«, sagte Urquart ungeduldig,
»aber ich weiß, daß es die Wahrheit ist. Ich kenne Ihre Be
stimmung. Meiden Sie die Rorsefnes.«
»Und was ist mit Lord Ulsenn?«
    »Ulsenn ist ein Niemand«, war die höhnische Antwort.
    Beeindruckt von Urquarts Warnung, sagte Arflane nichts mehr über die Rorsefne-Familie. Er hatte schon selber festgestellt, wie sehr ihn die drei Leute in Beschlag genommen hatten. Doch über eine gewisse Portion Stärke verfügten alle. Sie waren nicht so ›weich‹, wie Urquart annahm. Selbst Ulsenn, in körperlicher Hinsicht ein Feigling, glaubte an seine absolute Herrscherrolle. Es stimmte, daß Arflanes Kontakt mit der Rorsefne-Familie ihn bewegt hatte, viele seiner alten Überzeugungen abzulegen, aber das war letzten Endes seine eigene Schwäche, nicht die der Rorsefnes. Urquart tadelte zweifellos
    ihren Einfluß. Vielleicht hatte er recht.
    Arflane seufzte und strich mit dem Handschuh über die Reling. »Ich hoffe, daß wir die Mutter des Eises finden werden«, sagte er schließlich. »Ich brauche nur die feste Überzeugung, Urquart.«
    »Sie wird dort sein, Kapitän. Bald werden Sie es auch genau wissen.« Urquart griff nach Arflanes Schultern. Arflane wäre am liebsten zurückgewichen, blieb aber stehen. Der Harpunier blickte ihm ins Gesicht. Die blauen Augen spiegelten das Bild seiner inneren Überzeugung. »Es ist wahr«, sagte er, seine Harpune schüttelnd und auf das Eis deutend. »Das ist auch wahr.« Er ließ seinen Arm sinken. »Finden Sie wieder zu sich selbst zurück, Kapitän. Das werden Sie während dieser Expedition nötig haben.«
    Damit stieg der Harpunier von der Brücke hinunter, verschwand und ließ Arflane unschlüssig, doch gleichzeitig auch optimistischer zurück, als er sich seit vielen Monaten gefühlt hatte.
    Von diesem Zeitpunkt an erschien Urquart regelmäßig auf der Brücke. Er sagte nicht viel, stand nur an der Reling oder an das Steuerhaus gelehnt, als versuche er damit, seine eigene Zuversicht auf Arflane zu übertragen. Er war der schweigsame Mentor und Unterstützer des Kapitäns, während der Schoner sich in rascher Fahrt auf den Rand des Plateaus zubewegte.

    Einige Tage später standen Manfred Rorsefne und Arflane in der Kapitänskabine und studierten die vor ihnen auf dem Tisch ausgebreiteten Karten.
    »Morgen erreichen wir den Randbezirk«, sagte Rorsefne und deutete auf die Karte mit dem Plateau. Sie hatten nur eine detaillierte Karte. »Die Abwärtsfahrt wird nicht einfach sein – nicht wahr, Kapitän?«
    Arflane schüttelte langsam den Kopf. »Nicht unbedingt. Wie es aussieht, kommt man an dieser Stelle gut hinunter.« Er tippte mit dem Zeigefinger auf die Karte. »Der ›Große Nordkurs‹, wie Ihr Onkel ihn nannte.«
    »Wo sein Schiff zerstört wurde?« Rorsefne zog eine Grimasse. »Wo sein Schiff zerstört wurde, richtig.« Arflane nickte. »Wenn wir diesen Kurs steuern – Nordost zu Nord dreiviertel Nord –, müßten wir eine sanft abfallende Stelle ohne Hügel erreichen. Ich werde den Schoner bald hinunterbringen.« Rorsefne lächelte. »Sie scheinen Ihr altes Selbstvertrauen wiedergewonnen zu haben, Kapitän.«
    Arflane ging über diese Bemerkung hinweg. »Am besten, wir setzen jetzt den Kurs fest.«
    Als sie die Kabine verlassen hatten, stießen sie fast mit Janek und Ulrica Ulsenn zusammen. Sie stützte ihn auf dem Weg zu der in ihre Kabine führende Kajütentreppe. Rorsefne verbeugte sich grinsend, doch Arflane furchte die Stirn. Zum erstenmal seit Beginn der Reise hatte er sich in Ulricas unmittelbarer Nähe aufgehalten. Sie mied seinen Blick, murmelte einen Gruß und war schon an ihm vorbei. Dafür blickte Janek Ulsenn ihn

Weitere Kostenlose Bücher