Untitled
mit einem Bett und einer Tür zurückzuziehen, würde er mit Sicherheit höchstens ein kleines bisschen schlafen, da war sie sich sicher. Er würde im Bett sitzen – sehr vorsichtig nur, weil das Sitzen ihm mehr Schmerzen bereitet als er z u geben wollte – und all die vollkommen sinnlosen Dinge a n starren, die sie in den Schränken und Kommoden gefunden hatten.
Er würde dasitzen und darüber nachgrübeln, was ihm wohl entgangen war. Oder wie er aus diesen relativ beliebigen Haushaltsgegenständen vielleicht ein Funkgerät basteln konnte.
»Du brauchst nicht zu glauben, dass ich nicht gemerkt habe, dass du meiner Frage ausgewichen bist«, sagte sie.
»Ich habe dir doch eine Antwort gegeben«, erwiderte Max, als sie dicht genug bei ihm war, sodass er sie in die Arme nehmen und an sich ziehen konnte.
Er sah sie genau so an, wie sie es sich immer gewünscht hatte. Ohne diese Angst, sie könnte erfahren, dass er sie liebte. Es war wundervoll – oder hätte zumindest wundervoll sein können, wären sie nicht von bewaffneten Männern u m zingelt gewesen, die sie umbringen wollten.
Gina schlang ihm die Arme um den Hals. Sie küsste ihn, schaffte es einfach nicht, der Versuchung zu widerstehen. Sein Mund war warm und süß und, nein, so einfach würde sie sich bestimmt nicht ablenken lassen.
»Hast du nicht«, sagte sie. »Ich habe dich gefragt, ob du mir eine ehrliche Antwort geben würdest. Du hättest einfach nur ja oder nein sagen müssen.«
Er küsste sie noch einmal – dieses Mal länger, bedächtiger. Als würde die Armee da draußen vor der Tür ihm keine Todesangst einjagen.
Aber vielleicht war es ja so. Vielleicht lösten die Soldaten bei ihm nur Ärger aus. Vielleicht war sie die Einzige, die Todesangst hatte. Vielleicht war er noch nie in solch einer Situation gewesen – in der Regel saß er ja am anderen Ende des Megafons.
»Vielleicht sollten wir das Abendessen erst mal ve r gessen«, sagte Gina außer Atem, »und uns ein Zimmer mit einer Tür suchen.«
Sie wollte sich losmachen und ihn in den Flur ziehen, doch er hielt sie fest. »Ja, ich würde dir eine ehrliche Antwort geben«, sagte er, als wüsste er genau, dass ihr Drängen auch in der Furcht wurzelte, dass dies ihre letzte gemeinsame Nacht sein könnte, ihre letzte Nacht auf Erden. »Das ve r spreche ich dir. Und, nein, ich glaube wirklich nicht, dass wir sterben müssen.«
»Wir, also du und ich?«, wollte sie wissen. »Oder wir alle, einschließlich Jones – Grady. Du weißt schon, der Mann mit den vielen Namen, der Ehemann meiner besten Freundin?«
Er schenkte ihr noch ein Lächeln, doch es war viel zu schnell wieder verschwunden. »Grady Morant ist der Grund dafür, dass wir hier sind«, sagte er schließlich. Schon wieder keine richtige Antwort auf ihre Frage.
»Er ist ein guter Mensch«, widersprach Gina. »Er hat vielleicht ein paar schlimme Sachen gemacht …«
»Sehr schlimme Sachen«, pflichtete er ihr bei.
»Aber zuerst hat er ein paar sehr schlimme Sachen e r lebt«, führte sie ihm vor Augen. »Man hat ihn einfach zurückgelassen – in einem Gefängnis, wo er von wirklich ekelhaften Menschen gefoltert wurde und wo er sterben sollte. Drei Jahre lang, Max. Hast du gewusst …«
»Ja«, fiel er ihr ins Wort. »Habe ich gewusst.«
Molly hatte ihr ein wenig – wirklich nur ein bisschen – von Jones’ Leidenszeit erzählt. Schläge, Folter, sowohl körperlich als auch seelisch. Allein der Gedanke daran ließ Gina schaudern.
»Glaubst du denn, dass das eine Rechtfertigung dafür ist, dass er für Chai gearbeitet hat?«, wollte Max jetzt von ihr wissen.
Gina antwortete ohne zu zögern. Chai hatte Jones dort herausgeholt, hatte den Qualen ein Ende bereitet. »Ja, das glaube ich.«
Max nickte. »Das ist eine interessante ethische Frag e stellung.«
»Hier geht es nicht um ethische Fragestellungen.« Gina machte sich los und stieg über die Zeitungsstapel zurück zur Küchentheke, wo ihre Teller mit dem Abendessen standen. »Es geht um das Leben eines Menschen.«
»Ja, ja«, sagte Max. »Ob du’s glaubst oder nicht, ich finde ihn auch ganz nett. Und das will etwas heißen, weil es nä m lich am Anfang ganz und gar nicht so war. Ich bin mir eben bloß nicht ganz so sicher wie du, ob man ihm wirklich einen Persilschein für seine Verbrechervergangenheit ausstellen sollte.«
»Bitte, liefere ihn nicht dem Oberst und diesem Nusantara aus.« Gina schob das Essen, das für Molly und Jones gedacht gewesen war, auf die
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