Untitled
angesichts der Umstände eine wirklich dämliche Frage war.«
»Daran kann ich mich gar nicht mehr erinnern.«
»Ich schon«, sagte er. »Ich weiß noch, wie ich gedacht habe, dass du mit Abstand die tapferste Frau auf dem gesamten Planeten sein musst. Für das, was du da getan hast. Um das zu überstehen, was du überstanden hast und dabei noch in der Lage zu sein, Witze zu reißen und … keine Angst vor dem Leben zu haben.« Er unterbrach sich. »Mir zu ve r zeihen, dass ich es so weit habe kommen lassen.«
»Du hast daran genau so viel Schuld wie ich«, sagte Gina. Bitte, lieber Gott, lass ihn nicht wieder damit anfangen.
»Ich weiß. Aber trotzdem wollte ich die Chance b e kommen, es zu korrigieren. Natürlich hätte ich bestimmte Dinge anders handhaben können. Nicht müssen … das Ganze war ein Vabanque-Spiel, das weiß ich. Das wusste ich.« Er blickte auf ihre Hände, auf ihre ineinander verschlungenen Finger. »Ich habe so viel Zeit damit verschwendet, mir irgendwelche Was-wäre-wenn-Szenarios auszudenken. Was, wenn ich das anders gemacht hätte, was, wenn ich stattdessen jenes gemacht hätte …«
»Wenn du irgendetwas anders gemacht hättest, dann hätten sie mich vielleicht umgebracht und nicht …«
»Ich weiß«, wiederholte Max. »Das ist mir vollkommen klar. War es auch damals schon. Logisch betrachtet, ve r nünftig betrachtet war alles richtig. Aber ich konnte es einfach nicht loslassen.« Er hatte tatsächlich Tränen in den Augen. »Und dann …« Er presste die Worte hervor. »Dann habe ich erfahren, dass du tot bist. Bei einem Terroranschlag in Hamburg ums Leben gekommen.«
Er schluckte. »Ich glaube, bis dahin habe ich einfach nur darauf gewartet, dass du zurückkommst. Ich glaube, ich habe erwartet – mich darauf verlassen –, dass du so viel Vernunft und, und … ich schätze mal Weitblick besitzt, dich eines Tages wieder in mein Leben zu drängen. Und dann ging plötzlich eine Bombe hoch, und ›eines Tages‹ war nicht mehr. Du warst nicht mehr. Endgültig.«
»Oh Max«, hauchte sie.
»Und alles war umsonst«, flüsterte er. »Alles. Das, was ich schon vor vier Jahren hätte tun sollen, was ich hätte tun können … Das Einzige, was zählte, war, was ich im letzten Jahr, als ich die Chance dazu gehabt hätte, nicht getan hatte. Nämlich dir zu sagen, wie sehr ich dich liebe, und mir einz u gestehen, dass ich dich zu einem Teil meines Lebens machen möchte – falls du so verrückt sein solltest, es mit mir zu ve r suchen.«
Gina brachte kein einziges Wort heraus, weil das Herz ihr im Hals schlug und kein bisschen Platz mehr für irgendetwas anderes war. Was sie aber tun konnte und was sie auch tat, war, seine Hand an ihre Lippen zu führen und sie zu küssen. Seine Finger, seine Handfläche. Er legte sie an ihre Wange, und als sie zu ihm aufblickte, lag so viel Liebe in seinem Blick, dass es ihr den Atem raubte.
Liebe und Hitze. Verlangen.
Es war ihm ein bisschen peinlich, oder vielleicht dachte er auch, es sei unangemessen, weil er ein wenig schuldbewusst lächelte und den Blick zur Seite wandte.
»Weißt du was? Ich liebe es, wenn du mich so anschaust«, flüsterte sie.
Er begegnete ihrem Blick und … oh ja, es war definitiv Zeit, sich ein Zimmer zu suchen. Mit einer Tür. Ob mit oder ohne Bett spielte keine Rolle.
Abgesehen von …
»Oh Mist«, sagte Gina. »Ich muss dir noch etwas sagen.«
Aber sie hatte keine Chance mehr, weil die Übe r wachungsmonitore erst anfingen zu flackern und dann komplett ausfielen.
»Das war der Generator«, berichtete Jones mit leiser Stimme, weil seine Frau immer noch im anderen Zimmer lag und schlief. »Wir haben kein Benzin mehr.«
Er sah Gina die Erleichterung darüber an, dass das nicht auf eine Aktion der Armee da draußen zurückzuführen war – ein koordinierter Angriff auf sämtliche Überwachung s kameras gleichzeitig, als Vorläufer einer sehr viel gewal t tätigeren und katastrophaleren nächtlichen Attacke.
»Ich glaube, die haben nicht mal gewusst, dass wir Kameras haben.« Max stand mit dem Fernglas im zweiten Stock und beobachtete durch das Fenster die Armee, die sich am Rande des Platzes niedergelassen hatte.
Im Schutz der Dunkelheit einfach abhauen.
Im Lauf des Tages hatten sie zahlreiche Überlegungen a n gestellt, wie sie entweder flüchten oder irgendwelche Freunde oder Verbündete auf ihre Lage aufmerksam machen könnten, und das war die realistischste Option gewesen.
Manche Ideen waren geradezu albern
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