Untitled
…
Schwindelig oder nicht, Max hätte keine gründliche Au s bildung und jahrelange Berufserfahrung beim FBI benötigt, um zu wissen, dass er nicht erst seit gestern oder vorgestern in diesem Bett lag.
»Wie lange …?«, fragte er Gina, als sie ihm mit kühlen Fingern die Haare aus dem Gesicht strich.
Sie wusste, was er meinte. »Wochen«, sagte sie. »Es tut mir leid, aber ich kann dir erst etwas zu trinken geben, wenn die Schwester da ist.«
»Wochen?« Niemals.
»In den ersten Tagen nach der Operation hast du dich so gut gemacht«, erklärte sie und schlang ihre Finger in seine. »Aber dann, ein paar Tage später, hast du plötzlich hohes Fieber bekommen und … mein Gott, Max, du warst so schwer krank. Die Ärzte haben sogar schon ein Machen-Sie-sich-auf-das-Schlimmste-gefasst-Gespräch mit mir geführt.«
Wochen. Sie war wochenlang bei ihm geblieben. »Dachte, du willst …«, brachte er mühsam hervor, »nach … Kenia.«
»Ich habe bei AAI angerufen und die Reise noch einmal verschoben«, erwiderte sie.
Verschieben war nicht so gut wie absagen. Der Gedanke, dass Gina nach Kenia gehen wollte, machte ihn wahnsinnig. Aber das galt eigentlich für alles, was einen gefährlicheren Eindruck machte als Island, wo die Einheimischen nach wie vor nachts ihre Häuser nicht verriegelten. »Wie lange?«
»Auf unbestimmte Zeit.« Sie küsste ihm die Hand, drückte sie an ihre Wange. »Keine Angst, ich bleibe so lange bei dir, wie du mich brauchst.«
»Brauch dich«, sagte er, noch bevor er es verhindern konnte. Es waren die ehrlichsten Worte, die er je zu ihr gesagt hatte – vielleicht lag es an den Medikamenten oder an den Schmerzen oder vielleicht hatte ihn die Nachricht, dass er – wieder einmal – dem Tod von der Schippe gesprungen war, menschlicher gemacht. Womöglich hatte auch Ginas glüc k liches Strahlen eine hypnotisierende Wirkung auf ihn gehabt, so ähnlich wie ein Wahrheitsserum.
Doch das Glück war auf seiner Seite, weil just in diesem Augenblick die Krankenschwester das Zimmer betrat. Sie war die Energie in Person und übertönte seine Worte mit ihrem fröhlichen Hallo. Gina hatte sich zur Begrüßung ihr z u gewandt, aber jetzt drehte sie sich wieder zu ihm um. »Tut mir leid, Max, wie war das?«
Mag sein, dass er kurzfristig zu menschlich gewesen war oder zu benommen durch die Medikamente, aber das, was er in seiner Karriere, in seinem Leben erreicht hatte, das hatte er nicht dadurch erreicht, dass er denselben Fehler zweimal g e macht hatte.
»Brauch Wasser«, sagte er, und mit Erlaubnis der Schwester flößte Gina ihm etwas Kühles zu trinken ein.
Kenia, Afrika
18. Februar 2005
Vor vier Monaten
Zwischen all den Menschen, die aus dem Bus ausstiegen, war tatsächlich ein unglaublich schnuckeliges Teil.
Er hatte blonde Haare, einen süßen deutschen Akzent und wirklich fantastische Knie, aber als Gina näher kam, stellte sie fest, dass er der Anführer der Kurzzeithelfer war – der Fre i willigen, die nur einige wenige Tage bleiben würden.
Was bedeutete, dass er Pater Dieter hieß.
Und das bedeutete, dass die Chancen, dass er sich auf den ersten Blick in sie verlieben würde, gering bis nicht existent waren, mit starker Tendenz zu Letzterem.
Noch eine Neuigkeit war der Bus. Es war ein richtiger Omnibus, und keiner dieser neunsitzigen klapperigen VW- Busse, die in einer permanenten Staubwolke die so genannten Straßen von Dorf zu Dorf entlanghüpften.
Pater Dieters Gruppe bestand aus vierundzwanzig Fre i willigen – zehn mehr als auf Ginas Liste gestanden hatten. Pater Dieters zeltlose, gepäcklose, aus vierundzwanzig zölibatären Priestern bestehende Gruppe, vielen Dank auch.
Von denen die meisten unter der regionalen Spielart von Montezumas Rache litten und sich mehr als hundeelend fühlten.
Pater Ben und Schwester Maria-Margarit rannten hin und her und organisierten Helfer, die – scheiße! – weitere Latrinen ausheben sowie eine Art Rangliste erstellen sollten, damit die Gäste, die es am schlimmsten erwischt hatte, in den Schatten getragen werden konnten.
Sie wollten sie nicht ins Krankenhauszelt schaffen, bis die Ursache der Erkrankung mit Sicherheit feststand, falls sie ansteckend sein sollte.
Und Gnade ihnen Gott, sollte es tatsächlich ansteckend sein.
AIDS Awareness International schaffte es natürlich, die Ankunft einer ganzen Busladung Freiwilliger in noch mehr Arbeit für die Stammbesetzung ausarten zu lassen.
Inmitten des Chaos entdeckte Gina Paul
Weitere Kostenlose Bücher